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Necati Mert´s Kolumne

Reimschwere Reste aus Zweitausendsechs

(01/2007)

   
Die Netz-Brücke
 

Wozu all die Vor-Sorgen
Der Tod schleicht sich auf leisen Sohlen an
fortan im Furore-Format vor dem frostigen Morgen
Puritanisch prunklos erfährt das Publikum dann
wie das stets straffe Haupt des Antipoden-Poeten
   lautlos auf die Brust gesunken
sich dem Abschied stellt von Barrikade-Proleten
   Der Trubel im Vollzugshaus
      nimmt sich auf einmal absurd aus
Dann liest das Gedicht etwas seinem Schöpfer vor
      – da wird es ihn nicht mehr geben –
im gleichen Dichtertreff hinter vertrautem Tor
Unbestechliche müssen bescheiden leben
durch den schweren Winter in Stadtstraßen-Ritzen
die Wärme der Schwärme verschwitzen
   wenn Weißen-Meute weiter zieht
      durch die Schlachten-Nacht
         über die Schwarzen-Beute wacht

Saisonal in seinem Immersommer der Proproleten-Poesie
arbeitet Necati Mert dem Sensationstrieb zum Trotz
den Triumph-Trommeln der Kompradoren-Kompanie
Arteriosklerosen-Attacken und jedwedem Ach-Wach
      samten am Allochthonen-Almanach
gegen das Allüren-Allerlei des Alemannen-Abc
ruft die Don-Quijoten-Brigade aus Barcelona
auf zur Samum-Schlacht im Mediterran-Terrain
   zur Rebellion mit Heleno Saña
      unentwegt im Libertären-Train
         unterwegs zur Kosmopolitania
appelliert an Laien der Liebhaber-Literatur am Feldrain
   den Wellenberg des Weinens zu beenden
   vor der Bravour-Burg bourgeoiser Legenden

Seine Angina pectoris
daß die Venen in der Bruthöhle sich verengen
      vor dem nächsten Blutfluß
hat nicht mit Nikotin-Mißbrauch zu tun
sondern mit der Atmosphäre unterm Hesperus
weil er verdammt weit nicht in Lydien verweilte
   die Flut der Flauten aufhielt am Bosporus
      mit der Metropolitan-Mathematik
auf der Baronaten-Barka der Methusalem-Metapher
Doch wider die Visualizer-Lyrik
und tausendfach flache Satelliten-Pracht
stellt sich flagrant die Heute-Frage
nach dem Nebelflug durch die Nacht
Vielleicht an einem dieser Tage
   wird alles eigenartig sein
      mit der Maisonne am Morgenstein

Anti-Rauch-Raufer feiern angequalmt den Verbotsboten
und den Reklame-Regen der Zitadelle-Zeloten
   für die Mortalitätsraten derer
      die stetig am Glimmstängel ziehen
         ähnlich wie an schlanken Schloten

Dann mit geadelter Arterie und Flußblaublut
   erhebt sich die semmelblonde Artefakt-Horde
auf den Gefecht-Gipfel der Oligarchen-Olympiade
hinter billigem Blendwerk hastig und mit Magnaten-Mut
hantiert hasenherzig mit der manifest miesen Hanswurstiade
Dann kurzweilig hinter der Nabelschau
hausen Bittgänger der Boulevard-Warte
   im Plutokraten-Platinbau
      unterwegs mit billig bestellten Billet
         unter der Barragen-Standarte
hausieren mit dem Bazillus des Byzantinismus
kursieren in Kurier-Kometen über Humanen-Humus
   mit dem Kröten-Krug auf der Broker-Burg
Bevor sie karikiert die Kurve kratzen
kiebitzen sie kriecherisch in Batzen
wie Evangelikan-Kuttenträger kokettieren
   mit Piraten-Party-Kurtisanen
      dann wie ein Habicht kontaktieren
         die Pinkepinke-Partisanen

Vor Humankulus-Hominiden und Ammen-
      Märchen und hünenhaft in Haufen
rotten sich halbwüchsige Getto-Guerilleros zusammen
Im Postszenium der Metropolitan-Party laufen
Staatskünstler pflichtschuldig der Mission nach
übertönen das Morgenmeeting mit Menschenrechtskrach
   im Flaggschiff der Kreuzritter-Flotte
unterm Kruzifix auf dem Kundenfang-Diskurs
Zurück meldet sich das Matriarchat tapfer
   fürs Matronen-Metier auf meridionalem Kurs
      zum Airport der Methusalem-Metapher

Vor dem Barbaren-Sturm wie Blei
brüskieren im Mittelmeer kleine Holzkähne
die stämmigen Sturmboote der Bravour-Bastei
   und den Wogenprall der Piepen-Prahlerei

Fließbanddichter auf den Verse-Felsen
   irren in der morgenlosen Milchstraße
auf den Fersen vom Herzleidenheer zum Tränenmeer
um die Nacht zu stürmen wie der Husaren-Held
   verkaufen Futurum-exactum-Mär
      schlangenhaft auf dem Schlachtfeld

Im Televisual-Bordell brodelt
es über den Allwarenmärkten aller Welt
schreitet der Schrei der Sehnsucht zur Tat
im Handstreich aufs Menschenrechts-Syndikat

Seine Jahre hatte der Notstand
der oft in Brotschmerzgeschichten Abnehmer fand
wird bald seinen Markt haben der Scharlatan
   beim humanitären Tamtam
      auf der Jagd nach dem Schaitan
         im nackten Nachtprogramm
wird aus dem Brotkummer etwas mehr
für den Blutüberflut seiner Herzkammer erringen
   ohne daß die Hungerheere ihn schwer
      um den Schlaf bringen

In den Greis-Gassen voll eigener Tränen
in diesem Schwerwinter brüskiert der Prolet
   aus den Horror-Slums barfuß
      den ganzen Cäsaren-Zirkus
während Paraden-Passanten der Pax Germanica
das Festival der Kulturen überwacht
   den rassischen Artenschutz der Klassen
      auf dem Feld der Stammes-Schlacht
In diesem Schwerwinter die Tugendwächter
ziehen in das Digital-Dickicht der Schlächter
feiert der Dragoner-Dichter das Daseinsduell
als Freiherr hinter dem Heloten-Heer
   und Freier im Ceyber-Space-Bordell

Während Tartarus zum Asylanten-Elysium stylt

Mit dem pränatal peripheren Paß
passiert der Globetrotter im Trikont-Container
   nicht das Trattoria-Tor
   im Titanen-(Teuto)-Trottoir Europas


Pointe am Rande

Extra-Exekution eines desolaten Exempel-Exoten
oder des experimentellen Desperado-Despoten

Am vorletzten Tag des Zweitausensechs
dem okzidental georteten Kalender zufolge
   kroch der kreuzbrave Kneten-Knecht
   vor der global triumphalen Junker-Junta auf allen Vieren
fügte sich dem Rambo-Rivalen- und Revanchen-Recht
den Monster-Mord am Monitor zu moderieren
Braunblut hatten zu weinen pyramidal
   die weichen Viertel von Bagdad
   während das Stammhalter-Potentat
   von Tudors und Stuarts imperatoral
      seinen Weihrauch probat
         im Weinfass aufbewahrt
während von den prompt erfrorenen Disteln
en masse die Nachtfalter Mesopotamiens fielen
im Schattenreich der demokratisch arischen Episteln
Vor der Morgenröte rapportierte der Dramendichter
   televisuell-trivial wie der Scharfrichter
verballhornte vor der Timokraten-Tortur
   und die Philosophia prima nur
      vor der Mäuse-Monarchie Gott erfuhr

Das Tribunen-Team am Potamac turbulent
feierte den Tyrannenmord im Zweistromland
   auch notgedrungen in separaten Notaten
nivellierte notabel Ehrfurcht vor der Tatarennachricht
titanenhaft über Trabanten-parate Tribunal-Taten
Eventhungrig die Evangelikan-Eleven feilten dicht
   am Fanfaronaden-Fanal der Euthanasia
      adelten die Fanatiker-Fantasia

Es war der Exitus
– im reiflich kalt inszenierten Spektakel –
merkantil nicht zum letzten Mal
   im Memorial des Manchester-Mechanismus
      memmenhaft wie kriminal
seit Zucht-Zöglinge der Zivilisation verschmähen
sich am Licht zu orientieren als Quelle der Information
         und als Morgenborn der Inspiration
Jetzt beten sie den Bazillus an im Barbaren-Basar
als System-Symbol im Schakalen-Schatten
seit sie den Tod als Blutsauger der Bodenblüten
   in der Wüste gepflanzt hatten
   um den Fluß des Petroleums zu hüten

Im Schilde führen nun in Zweitausendsieben
   stilvoll die OneWorldOratoren
allesamt die Planeten des Morgens zu sieben
      auf ihren silbernen Siegesforen
die Robinsonaden in Barbaren-Barken zu plagen
         vor dunklen Triumph-Toren
den Krach der Kasten-Katastrophen anzuklagen
auf dem Kastell-Katheder ihrer Retro-Republik
dem Riesenheer der Loser Revue-Riten vorzutragen

Im Überfluß Hautevolee-Heuchler
      Hetäre-Helden und Laien-Lyriker
die Usurpatoren des Abenteuers Humanität
      Hesperiens herkulische Epiker
und High-Tech-Putschisten der Urbanität
seit Abrahams Anekdoten die Erden überzogen
   im Umschlag trivialer Drogen
und im elegischen Akt zwischen Eleven-Elaborat
      und elysäischen Akklamations-Elogen


Notabene

Unterworfen den Überflußwolken reisen
die Routine-Revoluzzer entlang dem Zeitalter
schwadronieren schwermütig die Sachwalter
werfen die überflüssigen Unterlegenen zum alten Eisen
weisen sie dann hundsgemein an
   weise am Hungertuch zu nagen
Niemals werden sie aber übers Herz bringen
      dem Tod willkommen zu sagen

Wer kann schon dagegen halten
   wenn nicht der trimondiale Rebell
während im Selektions-Sektor Kurienkardinäle
      die Stammes-Scheichs konventionell
      zum Geschick des Geschachers bitten
Todesschwadrone geschwind zum Breitbrett der Finale
         im Schutzstatut der Sekten-Sektion
und der gelegentlich gelenkigen Gelehrten
   die sich schon immer
   aus dem Blut der Betrogenen nährten

Es wird gewiß nicht das Althergebrachte sein
wenn der Morgen anbricht und der Sturm
wenn das Fessellose erwacht und das Nein
zum trivialen Tartüffe-Tempelturm
dem metropolitanen Sänger- und Souffleur-Furor
   und monetären Trommel-Terror

M. Kurtulus

   

Beiträge für´s Internet, von der aktuellen Ausgabe unabhängig

• Necati Merts Kolumne

• Mehr lesenswertes   Textmaterial

• Wider den Schwarzen Winter

• Porträt des Periodikums

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  Letzte Änderung: 31.01.2007