Vorfrühlingsnotate von Necati Mert
Das Geld, das in menschlichen Gegenseitigkeiten als
Tauschmittel fungierte, wurde Anfang der Siebziger im vorigen Jahrhundert
von einem Bückling des Endkapitalismus namens Milton Friedman
zum Götzenbild erhoben. Präpotenten Patronen Pentagoniens
gelingt es mit dem Kratzfuß des Imperialismus namens Samuel
Hungtinton, die sozialen Konflikte auf die kulturellen Kriege zu
verlagern und die Irrlehre vom "clash of civilization"
- eines der engstirnigsten Elaborate im Epistoralstil am episodischen
Ende des zweiten christlichen Jahrtausends - zum kreischend zitierten
Wahlspruch der neoliberal globalen Kreuzritter zu kreieren.
Das Erdenrund wird von bodenlosen Spalten erfaßt,
vom furchtsamen Frost der Frustration, weil allerorten die Ellenbogen
regieren. Einziges Votum der aufklärerischen Voluntaristen
angesichts der Schreckbilder der Zivilisationsschäden ist die
Volte mit François-Marie Arouet Voltaire, dem ethnozentrisch
instinktiven Johlen der Journaillen-Junta. Soziale Schikanen des
monetär manierierten Systems kommen in ihren Inspirationen
kaum zum Vorschein.
Der Chor der Untergebenen von Boulevardliteraten über
Libertinage-Liebhaber und selbstvermarktete Spartiaden bis hin zu
Patronage-Patrioten trägt chronisch christianisierte Verse
vor, am medialen Jammertal hallt es zurück.
Die arisch-aristokratisch berufenen Berufsbarbarenbarone
und paneuropäisch manischen Brimboriumsbarden bramarbasieren
wie Messias und brüskieren mit Bravour eine Unterschicht der
eingewanderten Leibeigenen, arrangieren argloses Affenspektakel,
um sich Ärger vom Leib zu halten. Sie bequemen sich zu allem,
was den Klassencharakter einer absolut auf Beutegut fixierten diktatoralen
Bourgeoisie ausmacht, deren globale Kontur der Kannibalen- oder
Raubtierkapitalismus ist, der nach Massenopfern verlangt und seine
Diener dem totalen Krieg, dem Kreuzzug im Namen eines gräßlichen
Götzen ihr Amen geben.
Im zivilisatorischen Zwielicht der "Dauerkrise"
okzidentaler Emanzipationszyklen sticht die Herkulesfrage nach dem
hedonistischen Heute der Hautevolee unter dem Herperus hervor, nämlich
die Größe des privatisierten Grupps in der Grotte der
hoch begüterten Besitzstände. Der Gedächtnisbeutel
der Herolde enthält keinen humanitären Heroismus mehr,
sondern nur noch Husaren-Humbug hybridischen Habitus aus dem Hades.
Immer schwerer wird der erbärmliche Bissen, den
der beleibte Leithammel der lukrativen Marketender-Meute den Menschenherden
zum Schlucken bietet. Sie erbrechen. Auf doktrinären Diskurs-Runden
der Rollen-Rivalitäten kommen die intellektuellen Realitäten
turbulent ins Trudeln.
Demokratie als Gemeinplatz-Gemenge
Hohe Wellen schlug der Herbst-Ansturm der Schwarzen
auf Stacheldrahtzäune, das Sperrwerk des krisen-kapitalistischen
Kastells in Ceuta und Melilla mit selbstgebastelten Leitern. Kalt
begann das Jahr 2006. Klimaforscher zwischen Werte- und Wetterwarte
zeigten sich frustriert, wenn nicht sprachlos oder überrascht
von der Frostwelle. Geheizt wurden die Foren mit ein paar Materialien
aus dem Arsenal des Migranten-Managements. Journalistisches Jägerlatein
und leidige Legenden erhoben sich zum Leitstern. Zugleich gerieten
die eingefleischten Verfechter der ethnisch-homogenen Staatsnation
in ein Dilemma. Jeremiaden jagten jegliches Gejubel ins Bockshorn.
Die demographischen Grundfesten wackeln, Geburtenraten
bleiben in der Negativzone stabil. An dem Menschenimport führt
kein Weg vorbei. Animiert werden züchtige Anstalten wie Teutonen-TÜV
für die eingesessenen Fremdlinge als Aspiranten der hiesigen
Staatsbürgerschaft und Verbot der nicht-deutschen Muttersprachen
in allen zugänglichen Orten, begonnen im Schulhof.
Polit-Profiteure, die sich stets auf der Jagd nach
einer Loge im Politikum befinden, setzen sich glanzvoll in Szene,
prunken vor einem proper indoktrinierten Publikum. Die von Habgier
belauschte "vierte Gewalt" paktiert mit dem Hegemon, indem
sie sich freudvoll wie fromm der Selbstzensur fügt sowie dem
kruden Kuratorium des "political correctness" unterwirft.
Dieses hochanständig wie inständig instrumentalisiertes
Rüstzeug zielt auf den praktischen Ausschluß des Pluralismus
durch den patriarchalisch archaisch arrangierten Purismus der sprachlichen
Strukturen, auf einen Pauperismus des sozial-humanen Ideenhumus.
Hier wirft nicht zuletzt der neoliberal normierte
Parlamentarismus repressiv seine Schatten voraus, als dessen Primat
sich das prähistorische Prädikat Demokratie pastoral ans
Licht drängt. Sie enthüllt sich mehr und mehr als das
System der Klassenkompromisse - jedoch unter den Prämissen,
daß das Recht auf Privateigentum himmlisch sanktioniert, nämlich
unantastbar bleibt, damit die Profitraten als heiliges Gut. Zu Buche
schlägt sie als Schutzhülle der "unsichtbaren Hand"
der mentalen, mächtig monopolisierten Marktkräfte. Der
Gewaltapparat, dessen Dimension den fraktionellen Formationen als
Pressure Groups obliegt, wird selbst die Wiederkehr des Faschismus
für immer unterbinden, solange es ihm gelingt, den Kommunismus
im Käfig der Gespenster zu fesseln.
Davor hält sich die Upper Class auf, die im chronischen
Freiheitskrampf rassistische Mythen legieren, faschistische Methoden
redigieren und mit der Reklameflut regieren läßt - als
Lichtgeflacker im Labyrinth der Luftschlösser.
Seit dem Pyrrhussieg der bürgerlichen Reklame-Revolution
über den bürokratischen Partei-Sozialismus wandeln die
globalen Oligarchien ungezügelt auf den Spuren der cäsarischen
Zombies. Die von Mäuse-Monarchen bestens besoldeten Söldner
der Intelligenzbestie bewerkstelligen den trickreichen Handstreich
auf die letzten universalen Pavillons der Zivilisation und trampeln
triumphal auf jenen Werten, die man meint, pflegen zu wollen. Der
Wüstenstaub, den sie im Humus des Humanen aufzogen, wird sich
lange nicht legen.
Immer wenn die Deputierten der Demokratur an den Tag
legen, im Hinblick auf die Gewalttouren in Denkpause zu gehen, verkünden
sie die nächste Blockade vor dem Morgen und blondieren die
Nebelzone hinter der Tour d'horizon.
Parlamentarismus als patronatparat dekorierte Diktatur
Im schweren Winter präsentierte sich die Pressure
Group des Privatier-Ports als Wärmespeicher im Privilegierten-Fort.
Als Gegenpart zum sozialen Frost fällt es schwer, mit einem
ausgereift alternativen Programm jenseits der parlamentarischen
Paradigmata in die Gänge zu kommen.
Der gebetsmühlenartig artikulierten Freiheit
wohnt eine von Profit-Propheten paraphierte pervertierte Lesart
inne. Hinter der Fassade einer hochgesteckten Moral für das
Individuum steckt das System der Manipulation. Dem Einzelnen wird
jegliche materielle Basis entzogen, sich selbst zu verwirklichen
- jenseits seiner Funktion als ökonomisch verwertbares Utensil.
Das Abendland vertraut absolut auf Gewalt. Hängengeblieben
ist es an den aufklärerischen Allüren der bürgerlichen
Revolution, die sich retrospektiv feste Fragmente einer Religion,
des marktheiligen Machiavellismus monetären Monotheismus aneignete.
Sie bezieht sich auf den christlichen Missionarismus und die kolonialistischen
Feldzüge.
Auch ein paar angeheizte Tage konnten in die humane
Atmosphäre des letzten schweren Winters dringen - das genügte,
die Frage nacht dem "Kampf der Kulturen?" in den Alltagstrott
zu schmuggeln. TV-Moderatoren und Gazetten-Kommentatoren fanden
sich prompt im Orient-Expreß, ließen sich zu Islam-Experten
erklären. Politikaster polemisierten: (Presse)Freiheit oder
theokratische Tabus?
Das ganze Getöse fand in einer Zeit statt, als
die Werbegestalter Pentagoniens das Verse-Werk für den nächsten
Kreuzzug vorbereiteten, der vermutlich unter dem Tarnnamen "Enduring
war of civilization" losgehen wird.
Das Feuilleton verschiebt alles andere außer
dem christlich Abendländischen ins Barbarische, ist die Botschaft
pur. Es gibt den Krieg, den man gewinnen muß. Kein Wettstreit
um Alternativen, sondern das Gebet vor dem Gefecht der Geschlechter.
Hier die Front der aufgeklärten Armeen, dort die Horde der
Bösewichte.
Die Segmente der aufklärerischen Arien werden
trotz aller Nebel der Apokalypse systematisiert, um die Segregation
zu legitimieren. Keinen Reim machen sie sich von dem Kollaps, arbeiten
eifrig an ihrer Arche Noah.
Es ist wahr: Der Haß auf den Westen ist real.
Darin entlädt sich der Grimm der Habenichtse, der Überflüssigen
des global kreischenden Kapitalismus. Die Apostel der aufklärerischen
Manichaismus und Maestros der Theater-Arien vom Kulturkrach triumphieren
dadurch, indem sie ein fiktives Feindbild auftrumpfen.
Das von Pentagon-Fabulanten fabrizierte Bild der Kulturen
fungiert als Ersatz der Rassen. Die abwertende Abart der Hautfarbe
wurde in den Schatten verdrängt, dafür der Glaube als
Hauptgehalt der Differenz installiert. Nirgends der ersehnte Satz,
der die Perfide des Kulturalismus als die höchste Stufe des
Rassismus vor Auge führt.
Wer den Miseren der Tretmühle permanent mit dem
Gemeinplatz Demokratie begegnet, meint die patronatparat dekorierte
direkte Diktatur des Parlamentarismus.
Eurozentral gemanagte Elendszirkulation
Die geschichtliche Einmaligkeit der Ereignisse wird
so geschickt verdreht, daß das Gestern zur moorigen Gegenwart
gehört und die Morgenstürmer ewig in Morpheus' Armen liegen.
Während die globalen Erdkugelglocken ohrenbetäubend läuten,
umreißt der Weitblick der Eine-Welt-Eiferer keine Kategorien
der im Zivilisierten-Zentrum expandierenden Galeerensklaverei mehr
wie heimliches Hantieren, Malochen in der Maquiladora-Manufaktur,
Lean-production-Werkbänke, steuerbefreite Patronage-Praktiken
des Klerus, auf der Gelände neben den Produktionsstätten
kasernierte Wohnbaracken. Nicht einmal in Marginalien werden sie
erwähnt. Und wenn in den TV-Röhren und Printprodukten
Reportagen über die schemenhaften Zustände aufkreuzen,
dann geht es meistens darum, die Suchhunde bei den sensationellen
Razzien gegen Papierlose und Parias.
Es passiert alltäglich auch und gerade im Groß-D-Land:
Will der Tacheron die Löhne nicht bezahlen, kündigt er
die Werkvertragskulis und ruft die Polizeiposten. Die Deportation
steht binnen kurzer Zeit bevor. Ein Türke bemängelte kurz
vor dem Abtransport Ende Januar 2006 in einer Fernsehreportage:
"Man sagte uns, D-Land ist ein Rechtsstaat. In diesem Punkte
müßte er von der Türkei einiges lernen."
Es kreist der Komet des neoliberalen Fundamentalismus,
der die humane Harmonie auf den Glanz des Geldes reduziert, persönliche
Perspektive unter das Kreuz der Profit zwingt und unterbemittelte
Menschenmassen zu überflüssigen Ressourcen bzw. Rassen
macht. Selbst die trikontinentalen Elendszirkulation wird EU-zentral
gemanagt. Hierzu ein Abriß aus einem "www.german-foreign-policy.com/de"-Bericht
vom Januar 2006:
Die Bundesregierung finanziert den Flüchtlingsabschub
zwischen mehreren afrikanischen Staaten und greift in die Migration
im Ostteil des Kontinents ein. Die Maßnahmen betreffen mehrere
hunderttausend Menschen in Tansania und sollen den von dort ausgehenden
Flüchtlingsstrom umlenken, so dass den Armuts- und Bürgerkriegsopfern
der Weg nach Europa versperrt wird. Deutsches Lenkungsziel sind
Burundi und der Kongo, wo die Flüchtlinge Hunger und Tod erwartet.
Die Eingriffe werden von der UN-Flüchtlingsagentur umgesetzt,
vor deren Kairoer Niederlassung es kürzlich zu einem Massaker
an verzweifelten Migranten kam. Die ständig fortschreitende
Expansion des Grenzregimes der EU sieht ein internationales Lagersystem
vor, das die soziale Dynamik der Fluchtbewegungen in regional angelegten
Auffangreservaten reguliert ("Regional Protection Programmes",
RPP). Zwischen diesen Camps und interessierten Wirtschaftszentren
können ausgesuchte Arbeitskräfte "pendeln",
heißt es in einer Darstellung der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung.
Die EU-Pläne werden in zwei Pilotprojekten vorangetrieben -
und schließen an den gegenwärtigen deutschen Flüchtlingsabschub
in Tansania an. Dort haben die Vorbereitungen für den Aufbau
von "Regional Protection"-Lagern begonnen. Das zweite
Auffangreservat wird gegenwartig für Flüchtlinge aus der
"Ukraine, Moldawien und Weißrussland" entworfen.
Damit treibt die EU das deutsch-italienische Konzept der organisierten
Zuführung billiger Arbeitskräfte aus transkontinentalen
Armutszonen bei möglichst totaler Absperrung sämtlicher
europäischer Grenzen entschlossen voran.
Spitzfindig affektierter Akt des Affenspektakels
Drei Affären, die eigentlich auf die episodischen
Ingredienzien eines Generalgedeihens der endkapitalistischen Kapriolen
deuten, erschütterten das Erdrittertum des staubigen Status-quo-Kosmos,
retteten die Revolverblätter und televisionären Rhetorrunden
währen der letzten sensationellen Kältesaison vor dem
Erfrieren:
1. Die baden-württembergische Fabel unter dem
Label "Gesprächsleitfaden" für die Kandidaten-Prüfer
des Staatsbürgeschaftsstatus.
2. Die Reaktionen in den islamischen Reservaten der
OneWorldOrder auf die Mohammed-Cartoons eines radikal reaktionären
dänischen Blattes.
3. Die Karriere eines türkischen Leinwand-Produkts
als Gassenhauer in deutschen Lichtspieltheatern. Ein Fanal fürs
Feuilleton, im Fiaker der Zivilisationsersten gegen finstere Fusionen
Fanfaren zu fabrizieren.
Die Theatralik der Integrationsfabulanten allein,
muslimischen Migranten den Zugang zum Staatsbürgerrecht zu
erschweren, wenn nicht schlankweg zu sperren, hätte nicht ausgereicht,
wenn es ihnen nicht gelungen wäre, die sozialen Zündstoffe
in kulturalistische Krakeels zu monövrieren. Dabei ist das
Merkel-Mysterium als erste Kanzlerin aus der großdeutschen
Favela auf die Fabel angewiesen, die Berliner Republik an die Pentagon-Koalition
der Willigen beim großen Mittel-Ost-Projekt zu führen.
Doch alle Kommentatoren der drei Episoden fokussierten
ihren Intellekt auf den Fehlgang der Integration im selektiv-sektoralen
Themenfeld der Krisen kreischenden Gesellschaft. Endlich kann die
wohlanständige Intelligenzbestie dem völlig frustrierten
Parlament am völkischen Stammtisch die Hand reichen und sich
dem Patent der Parole anschließen : "Türken raus!"
Der kultische Kurs des Kulturalismus in der Tretmühle der
selektiven Assimilation:
Integrative Intrigen im Souterrain des germanophilen
Gedankengebäudes
Integration meint das Einbinden der Außenstehenden
in das Ganze, dem einen Wertekosmos des "Unberührten",
"Unversehrten" (griechisch: entagros) innewohnt.
Assimilation meint das vermengte Zusammenspiel von
unterschiedlichen Lebenswelten zu einem Ganzen, welches durch Interaktion
und Austausch entsteht. Sie setzt einen variablen Prozeß der
Beteiligten voraus.
Das praktizierte Primat der Integration kommt beim
hellhörigen Hinschauen als ein patentiertes Projekt der Zwangsassimilation
zum Vorschein. Ein vorgeschriebenes Urteil, das nur seinen Rezitatoren
Vorteile verspricht. Von Beginn an eine Drohkulisse gegenüber
einer Objektmasse im sozialen Souterrain. Faktisch fabulierter,
demokratisch diktierter Fetisch, rassistisch, kulturalistisch systematisches
Spezifikum des Souveräns, taktisch strukturierte Separation.
Humanitärer Spasmus.
Das Konzept der Integration setzt voraus, daß
das zugewanderte Objekt sich erneuert, zum mentalen Modell der postmodernen
Mulatten, z.B. zum Euro- oder Deutsch-Islam mutiert, oder Abschied
nimmt.
Kommandiert wird dazu ein Heer von herrischen Migrationstheoretikern
und Integrationsfanatikern, die aufpassen, daß das Wertepathos
des Christentums als urbanes Kulturmuster des identitätsstiftenden
Mysteriums nicht reduziert, vor allem nicht als die Zugkraft der
Kreuzzüge denunziert wird.
Darauf beruhend flammt die Dubletten-Debatte der Demokratie-Druden
um den Maßnahmenkatalog immer wieder auf. Nimmt man ihren
maßregelnden Gehalt zur Kenntnis, platzt einem der Kragen:
Deutschpflicht auf dem Pausenhof! Wer sich widersetzt, verdient
einen Rüffel. Und man vermeidet die Kebab-Bude, stillt den
Hunger bei "Döneria".
Die programmatische Definition der disziplinarischen
Profession zielt auf die Negation jener Existenzen, die von der
Rechtslehre des Volksstaates nicht erfaßt und eventuell als
zu eliminierende Elemente aussortiert werden.
Integration setzt eigentlich Abgabe und Annahme unter
züchtigem Zwang voraus. Wenn Demographen vom Absterben des
Germanen-Genres sprechen, dann meinen sie eine völkische Gemeinschaft,
eine Kultur, deren frühere Fruchtfolge die Rasse ist. Wenn
Staatskünstler dem Absterben entgegen wirken durch den Untertanen-Import
der Zweibeiner, meinen sie deren selektive Assimilation, nämlich
die administrativ gemeisterte Adaptation:
Abgabe der hergebrachten Dokumente, Annahme der Identitätspapiere
mit dem Adler auf dem Deckel; Abgabe der herkömmlichen Sprache,
Annahme der Herrschaftlichen. Der Glaube darf bleiben als verdeutschtes
spirituelles Refugium oder wohlan als ein Stück periphere Exotik
im Zentrum.
Ethno-kulturelle Kolonien haben sich gefälligst
einzuordnen, freiwillig zu verpflichten. Sonst türmt sich vor
ihnen ein Berg der Sanktionen empor und der Druck durch Trug. Angewandt
wird die Methode des Lawrence von Arabien, dem es während des
Ersten Weltkrieges gelang, die Stämme der Wüste gegen
das Osmanische Reich aufzuwiegeln und somit die dortigen Ölfelder
unter das angelsächsische Protektorat zu befördern. Um
die Sehnsucht der rückständigen Fremdlinge nach Selbständigkeit
zu befrieden, werden gegenwärtig die ethnischen Mythen mobilisiert
und mit ihrer Hilfe missioniert.
Serviert wird den Marginalisierten illusionäre
Symbole des Miteinanders auf Katzenpfoten unterm stets steigenden
Druck der Erwerbskämpfe. Sie sollen sich für das Angebot
erwärmen und bei interkulturellen Festivals mit kulinarischen
Spezialitäten und exotischen Folkloren gegenseitig wettlaufen.
Augenlos sollen sie jenem Dialog-Diktat der Kulturen zu Füßen
liegen, bei dem generell die Techniken des Elendsmanagements dominieren.
Beim Versuch, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf
zu ziehen, gilt es, das eigene Elend elegisch zu verallgemeinern
und mit dessen Urquell möglichst zu fremdeln. Eingezwängt
und ramponiert im Kampf ums Überleben haben die als überflüssig
Ausgeschlossenen am Ende die Narrenfreiheit, den armen Fuchs nachzuäffen,
dem das Fleisch vergammelt vorkommt, wenn die Hühnerleiter
zu hoch liegt.
Auch aus leichtgewichtigen Worten können Weltbilder
entstehen, wenn sie unentwegt gesprochen und durch mediale Markt-Marken
übertragen werden. Spracherwerb soll den Spätankömmlingen
den Weg zum Schulabschluß bahnen, damit sie in Sold und Brot
kommen. Das gehört zum Treatment der Integration. Transparent
ist tatsächlich die Tragikomödie. Man rührt alles
- Sprache, Schule, Islam, Zwangsehe, Heiratsmarkt, Ehrenmord - zusammen,
um das kulturell kokettierte Konstrukt zu buchstabieren. Die Staatsbürgerschaft
gilt nach wie vor als Recht der zünftigen Majorität, die
zugewanderte Population zu züchtigen und ihren produktiven
Effekt je nach Bedarf zu verwerten.
Elitäre Elogen emanzipatorischer Potenz
Marginalisierende Mechanismen finden sich allerorten.
Leute, die den Staatsbürgerschaftsstatus erwerben wollen, müssen
einen liebreich leuchtenden Leumund nachweisen.
Was bleibt, ist die Integrationsmisere als Gesprächsstoff
im Diskurs-Zirkus, die als eine maßregelnde Maskerade vermarktet
wird. Denn es geht nicht um den An-, sondern Ausschluß der
Überflüssigen, die sowieso nicht dazu gehören.
Lange lassen sich die Fakten nicht auf den Kopf stellen:
Das Groß-D-Land, absterbende Nation braucht Bürger, die
Ökonomie billiges Humankapital. Die Kardinallüge: Man
wolle den Spätlingen der einst als provisorische Proleten angeworbenen
Gastarbeiter zur Seite stehen, damit sie Abitur haben und einen
Beruf erlernen. Man will sie zu ihrem Glück zwingen, indem
sie in den Sprachnebel verbannt werden. Steil steigt die Serpentine
von untertänigen Steppenstrukturen zum Bürgerstatus.
Fakt bleibt: Migranten und ihre Eigenheiten werden
gemäß der Episoden eines Karl May oder Pierre Loti zu
primitiven Probanden der Prosa degradiert - als Legionäre der
Werkbank und Leibeigene der elitären Eingeborenen.
Während morgenländischen Frauen ans Herz
gelegt wird, ihr Refugium im Schoß der abendländischen
Übervater zu finden, hat man das lingua franca im kommunikativen
Kontext bereits verdeutscht und zum demokreativen Dogma erhoben,
wie Armin Laschet, Nordreihen Westfalens Integrationsminister, in
einem FAZ-Gespräch vom 1. Februar 2006 indirekt diktiert: Schluß
mit babylonischen Sprachengewirr im deutschen Sprachatlas. Das Vaterland
mit der Muttersprache Deutsch gebietet obrigkeitliche Deutschpflicht
- heute im Pausenhof, morgen in der Moschee, gleich danach in den
Sackgassen der Gettos.
Alles, was den systeminhärenten Geschäftsgang
verletzt, wird über den Kamm des Patriarchalen geschert. Reißerische
Pamphlete und Eleven-Elaborate, in denen ein paar Erlebnisse elegisch
- angereichert durch schwülstige Episoden aus eigenen Familien-
oder Clangeschichten - als patriarchalische Parabel parodiert sowie
verallgemeinert werden, gelten als elegante Elogen der emanzipatorischen
Print-Prosa.
Weit entfernt von der Idee einer Bürgerrepublik
und auf Stur geschaltet, konsumiert der Regent der Alteingesessenen
die Kunst der konventionellen Worte mit intellektuellem Schliff,
schmiert Schund aufs Brot. Das Fremde verantwortet die Ehrenmorde
und Zwangsheirat, schmettert er, schiebt die Schuld auf die Herkunft,
statt sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen.
Im Zwielicht befinden sich die Zivilisierten-Zeloten.
Zweitrangig ist bei ihren Ambitionen, mit den Zwangsehen aufzuräumen.
Vielmehr bedingen sie sich aus, die Schlupflöcher wie Heiratsmigration,
den Zulauf der Importbräute und -bräutigame einzudämmen.
Fakt ist: Globale Heiratsmärkte zwischen Südost-Asien
und Westeuropa ermöglichen Mädchen und gleichermaßen
Jünglingen den Zugang zum Eldorado. Es gibt nicht nur verkaufte
Bräute, sondern auch gekaufte Bräutigame. Familienkonflikt
gehört zur Normalität der kapitalistischen Lebensform,
damit auch die besitzständisch praktizierte Zwangsheirat als
Folge der gentilgesellschaftlichen Überbleibsel.
Beim Ausblick auf die Bandbreite der Problematik kenne
die Gelehrten nichts weiteres als die Standpauke und stoßen
Schreie aus: Ein riesiges Proletariat, das auf uns zukommt!
Teuto-TÜV für muslimische Minorität
Während die Gesellen der integrationalen Gilde
an der Ethno-Falle im Höhenrücken der Menschenrechtsmetiers
feilen, feilschen ihre Lehrherren um die Kritik an Religion - ein
Reizthema neben dem Staatsbürgerschafts-TÜV, bei dem der
Islam in Kreuzverhör genommen wird.
Mit dem "Gesprächsleitfaden" der baden-württembergischen
Regenten werden die Anwärter der bundesrepublikanischen Staatsbürgerschaft
einem verbissenen, dem zentralen Gehalt nach rassistischen Test
unterzogen. Sie werden, wie Werner Pirker in "junge Welt"
vom 14. Januar 2006 erwägt, inquisitorisch auf ihr weltanschauliches
Dafürhalten hin befragt und müssen sich als dahergelaufene
Zöglinge der emanzipatorischen Events deklarieren. Ihnen wird
das Unvermögen zugeschrieben, sich die Demokratie abendländisch
zivilisatorischen Zuschnitts anzueignen. Sie haben sich theoretisch
per Geburtsurkunde selbst ausgebürgert. Die Fähigkeit
dazu hat man anscheinend mit der Muttermilch aufzusaugen. Der Bekenntnisdruck
auf die Neuankömmlinge der Zivilisierten-Zone offenbart somit
das Armutszeugnis der westlichen Werte-Variante, universale Utensilien
ungeniert ins Unikum der Urbanität zu assimilieren.
Was hier im Kontext mit dem fingerfertig fabrizierten
Leitfaden-Text beherzt über die Bühne geht, ist das totalitäre
Tamtam-Tabu Teutoniens Demokratur.
Der Gesprächsfaden systematisiert insgesamt die
kulturalistisch populistischen Emotionen, stigmatisiert einen Teil
der bodenständigen Population wegen ihres Glaubens, stiftet
schnöden Streit.
Die gezielt generalisierenden Fragen lassen sich als
Satire stilisieren, enthalten zugleich kulturkriegerische Drohgebärden
und obrigkeitsgläubige Schnüffelei.
Mit dem Schnüffel-Frage-Bogen werden faktische
Mitglieder einer Gemeinschaft vor die Behörden des Hegemons
gezerrt und verhört, wenn sie sich nicht länger als Periöken
behandeln lassen und das Schlupfloch der Staatsbürgerschaft
durchlaufen wollen.
Der kulturalistische Kurs des Kolonisatoren-Kollektivs
Die besorgten Bramarbasse der eurozentrischen Barkasse
alarmieren vor der Gefahr eines ethnischen Gleichgewichts in der
Peripherie der Metropolen.
Die Protagonisten der medial moderierten Debatte sind
hauptsächlich die Praktiker der sozialen Selektion. Die Stichwortgeber
in Feuilletons und Fraktionen brillieren mit Brimborium der Braven,
werfen vor der Wertewarte Fragen auf und sich fein für das
feindliche Gegenüber den Riten ins Zeug.
Beim pro forma Diskurs über das Schicksal der
Parias probieren die Protagonisten der professionell positionierten
Politika, die Parabel der Parallelgesellschaften in einen kontrollierten
"Kampf der Kulturen" umzufunktionieren.
Das ethnozentristische Konzept der selbst stilisierten
Zivilisierten, die Integration, war von Beginn an der Wegweiser
der Differenz. Entwickelt bzw. erfunden wurde sie im Herbst 1973
als Retourkutsche auf die Rebellion der Gastarbeiter und enthielt
die Formel "Anwerbe-Stopp, Rückkehr, Integration".
Im ersten Jahrzehnt blieb der Erfolg aus, und es folgten "schöpferische
Einfälle" wie der Erhalt der kulturelle Identität
im Rahmen der kirchlich konzipierten, grün-alternativ artikulierten
"Multikulturellen Gesellschaft" als exotisch bereichernde
Barkasse. Betriebsamen Beistand leisteten dazu die christlich-abendländischen
Kulturkreispatrioten der Schwarzen-Union wie Barbara John oder Heiner
Geißler sowie die neurechten Bramarbasse des Ethnopluralismus.
Kultiviert wurde mit vielfältigen Alibi-Aktionen
der Humus des Kulturalismus. Außenstehenden der republikanischen
Bürgerrechte wurde die Zugehörigkeit zu ethnische Kollektiven
zugeschrieben, damit ethno-kulturell kreierten Eigenheiten.
Der Begriff "Kultur" wurde von postmodernen
Mode-Nomaden zum puren Bindewort verdeutscht und mit ihm Suffixketten
gebildet: Hoch- und Trivialkultur, Trauer- und Theaterkultur, Fraß-
und Spaßkultur, Haus- und Mauerkultur, Migranten- und Minoritätenkultur
Unter- und Interkultur.
Leiter und Laien der Integrationsgilde definierten
ethnische Differenzen nicht mehr aufgrund der biologischen Merkmale,
sondern erfanden "kulturelle Identitäten", hielten
daran fest, daß Kultur homogen ist und herkunftsbedingt. Aus
unterschiedlichen Lebensweisen entwickelten sie unterschiedliche
Kulturkreise, in denen Individuen aufgingen.
Die subalternen Kumpanen der Integrationsindustrie
mußten zuvor dem ethnozentristischen Projekt einen Durchschlag
der dynamischen kulturellen Eigenschaften hinzufügen, damit
sie die Hintertür erblicken sollten, sich vom elenden Rand
zum elitär elementaren Zentrum zu mausern.
Kultur soll nach wie vor für Marginalisierte
Identität erzeugen, die das andere herabsetzt, um die eigene
Ethnizität, deren Hauptmerkmale neben der Hautfarbe, Religion
und Sprache sind, auf den Höhenrücken zu erheben. Ästhetische
Exponate berücksichtigt die Eselsbrücke nicht.
Die wegweisende identitätsgebende Majorität,
die sich christlich-abendländisch nennt, schließt jeglichen
Wandel im eigenen Einerlei aus, rückt die Religion in den Mittelpunkt
der Konformität, fordert die Aufgabe der Muttersprache.
Die antiquarische Attacke auf die postmodern modellierte
Attrappe der "Multi-Kulti" basiert auf der Strategie der
ethnisch homogenen Schicksalsgemeinschaft und zielt darauf, den
Antagonismus des anderen auszumerzen. Der autoritäre Ethos
stigmatisiert en masse den Ethnos in Enklaven und nicht dessen Offerten
für Erotomanen und Hedonisten wie die Lokale Speisespezialitäten
und Bauchtanzschulen.
Die prahlerisch protegierte Kollaboration der Kommunitaristen
mit den Community-Kommissären der Kolonisierten ist eine protektoral
projektierte Provokation, auf deren Fährte sich der Korporativ-Konvoi
der Kolonisatoren aus dem Journaillen-Milieu fuhrwerken kann.
Die Reaktion der Rivalen
Die systemisch semantisch seminaristisch gehandhabte
selektive Assimilation - Integration - zwingt die Neuankömmlinge
zum Abkapseln, zur Reaktion auf den bangen Blick der Alteingesessenen.
Die Neuen der Gettos leben gedanklich nicht in der
alten Heimat, sondern befinden sich auf der Suche nach selbstbestimmten
Alternativen, frei vom Wachtraum eines deutschen Islam. Dagegen
ziehen die Repräsentanten der Republik zu Felde. Warum fühlen
sich die Abkömmlinge der Gastarbeiter im Groß-D-Land
nicht angekommen?
Schlechten Ruf hat die Reaktion darauf: Wie wäre
es, wenn der Diskurs aus den Nebelschwaden einer Republik als "Rechtsnachfolgestaat
des Deutschen Reichs" heraustritt und sich der Realität
stellt, der die Existenz der nicht-homogenen Lebenswelten als Parallelgesellschaften
innewohnt?
Außer Frage steht, daß der völkische
Souverän sich auf den kolonisatorischen Kurs versteift und
verstärkt den assimilatorischen Druck gemäß der
Maxime: Adaptation oder Abmarsch!
Nicht mehr üblich, wie es mal galt, geben Pressure
Groups des Gelehrtengenres das Tempo vor, sondern die kulturkriegerischen
Brandstifter der Bravour-Presse. Da kontradiktorische Wahrheiten
sich nicht parallel als wahr erweisen können, lautet ihr Lehrsatz,
sind wir die einzige Realität, andere bleiben Parallelpopulationen,
an die es gilt Bannstrahl zu adressieren.
Naivität der Narren erleichtert der Nobilität
das narrative Nonplusultra. Übel, plaudern ihre Barden, hat
seinen Stamm immer draußen, aber gefährlich Zweige im
Haus, die es gilt abzusägen, bevor sie Wurzel schlagen.
In der germanophil initiierten Ideenmanufaktur köcheln
die medialen Materialien der Integrationsindustrie seit der Rebellion
der Spätlinge nordafrikanischer Migranten in den Randstätten
der französischen Metropolen vor sich hin. Während die
Fanfaren phantastisch zum Gruß für die neuen Ankömmlinge
ertönen und die Leitfaden-Fabulanten fanatisch auf die Pauke
hauen und meinen, den Islam germanisch arisch zu adoptieren und
die Abkömmlichen zu deportieren, weinen sich die bereits Bekehrten
die Augen aus dem Kopf. Natürlich vor Freude, aber auch vor
Furcht, daß ihnen gewisse Privilegien verlustig gehen. Was
die völkisch hegemonial vervollkommneten Fundamente angeht,
da beißt die Maus keinen Faden ab.
Jeder vom Wunderding namens "Dialog der Kulturen"
hingerissene Hirt kommt in den Gernegroß-Genuß und fühlt
sich gereift, als Genius der pangermanischen Get-together-Party
in die Tasten zu hauen sowie Menschenherden minderbegüterten
Genres in Beschlag zu nehmen.
Der Dialog-Donner, dessen Pulsschlag puppenlustiger
Pluralismus ist, enthält die Dogmen-Droge der mythisch manipulierten
ethnischen Emanzipation, bezweckt, den gleichwertigen Wettrenner
des Dualismus zu bezwingen bzw. zu eliminieren.
Unter dem Diktat der Dominanz kommen dilettantisch
die Lobhudler zu Wort. Ihre Devise hat den Wortlaut: Lieber ein
paar Schimpfwörter der Depremierten überhören, als
ihnen Giftpfeile entgegenzuschießen. Denn nichts wissen sie
zu würdigen und können dem Gönner in die Hand beißen.
Vor allem aber muß man sie beim Wickel nehmen und nicht als
dummen August in der Gedankenwerkstatt verniedlichen.
Der Kollaborierten-Konvoi
Es gibt keine gescheiterte Integration, sondern die
Aversion gegenüber der Methode der selektiven Assimilation.
Die Heuchelei mit mangelndem Integrationswillen ist der letzte Trumpf
des germanophilen Hegemons.
Das Majoritäten-System unter dem synthetischen
Pseudonym "Demokratie" determiniert die Akklimatisation
der Teile im Ganzen, Attacken auf das andere, diktiert die Dauer
der Besitzverhältnisse, welche - fundiert auf dem sympathischen
Synonym der Freiheit - durch die fragilen Fragmente des Leibeigenenwesens
forciert werden.
Diverse Dilettanten werden zu Freiheitskämpfern
delegiert, Dialoge inszeniert. Schnüffel-Frage-Bogen werden
formuliert, Cem Özdemirs, Ekin Deligözs, Feridun Zaimoglus,
Necla Keleks, Seyran Ates in Szene gesetzt, unter dem Schlagwort
"auch ich bin Deutschland" Schnäppchenjagdparties
arrangiert. Auszugeben haben sie sich als Alibi für eine repressive
Handhabe gegenüber den Objekten einer obrigkeitlichen Staatskunst.
Ihm allein obliegt der Überlegenheitsanspruch, bemitleidenswerte
Geschlechter gemäß der Opferperspektive zu behüten.
Der Sklaven-Status für die Parias auf dem Schattenmarkt
bleibt stabil. Geltende Gesetze widersprechen grundsätzlich
dem Zweiklassenrecht nicht. Selbst das Grundgesetz läßt
sich als oberstes Organ der verminderten Rechte wiedergeben. Nichts
ist daher menschenrechtswidrig, was sich für das Profit-Paradies
als brauchbar erweist.
Wer den Wertekosmos des Bestehenden betrat und sich
den kosmopolitischen Lichtquellen des Kommenden verschließt,
bekommt die Fibel der Lakaien, etwa die Evas und Adams der Evangelisation
als integrationales Event wie Necla Kelek, Cem Özdemir und
Seyran Ates. Dennoch: Mehr als ein paar extravagante Konvertierte,
die geradeheraus stolzieren, brave Deutsche zu sein, kann die Zunft
der Assimilationsallüren nicht exponieren. Der Fokus ihres
Brimboriums richtet sich allgewaltig auf die "Bringschuld"
der Ausgeschlossenen. Die Koketterie mit den kollaborationsbereiten
Islamverbänden kommunitaristischen Charakteristikums ruft billige
Ersatzsoziusse für die Zunft der Sozialarbeit ins Leben.
Arrangierte Ehe (von Zivilisationszeloten als Zwangsheirat
kompensiert) und Ehrenmord sind ethnozentrisch entstellte Themen,
deren sich Leute wie Necla Kelek annehmen, um dem Patriarchalen
ein ethnisches Gesicht zu geben. Hammerhart hantiert die Autorin
des autobiographisch gefärbten Opus "Die fremde Braut"
mit dem, was die okzidentalen Beobachter des Orients orakelhaft
in der Optik behalten. Nicht Wissen vermittelt sie, sondern eine
verbale Nachschrift von Gewissensbissen.
Diese Assimilierten und Konvertierten, die gern zur
majoritären "Wir"-Society gehören wollen, bleiben
in der marginalisierten "Sie"-Gemeinde haften - mittendrin
in einem von der germanophilen Selektionsmühle erzeugten Selbsthaß.
Ohne Schere im Kopf sollen diese Erstlinge der erdichteten elitären
Identität handeln, wenn es sich um die Erdlinge überall
im Homeland der Apartheid dreht. Mehr Wert legen sie auf das monetäre
System der manierierten Seelenklempner als auf die Gegenseite des
Mehrwerts. Die soziale Emanzipation opfern sie der Prophetie vom
"Zusammenprall der Kulturen", gesellen sich auf der Suche
nach Modi vivendi zum islamophoben Herumjaulen, damit dem nordisch
arischen Intrigenstück, den Kosmos zu kolonisieren und für
immer in die Pflicht zu nehmen - als eine schikanös schimärische
Schildwache der Schickeria.
Gettos als kosmopolitisches Gegengestade
Die Tüftler der Teutomanen-Tugenden meistern
eine totale Blockade gegenüber der kosmopolitanen Population
in der Parterre.
Die Route der germanophilen Civil-Society liegt auf
der gleichen Wellenlänge wie die Gedanken-Garden der Menschenrechtsmentoren
beim mentalen Feldzug gegen aufsässige Gespenster. Rivalität
ist das Urbild der Marktmagister. Wenn nicht vorhanden, so müssen
die Geistesfürsten das öffentliche Getöse heraufbeschwören.
Erst bestaunen sie ihr Werk als Marionettentanz, dann als Monster,
vor dem ihnen selbst der Kamm schwillt.
Je lauter das Genörgel gegen die angeblich Abgeneigten
der integrationalen Allüren kursiert, um die Differenz zwischen
den Zünftigen und zügellosen Anderen zu zementieren, desto
enger werden diese unter sich bleiben, als sich allzeit vor der
züchtigenden Oberhoheit rechtfertigen zu müssen. In "tageszeitung"
vom 27. Februar 2006) bekräftigt Mark Terkessidis:
Integration sollte mehr sein als nur der Ruf nach
schärferen Gesetzen. Und auch mehr als das Geschrei der Kulturkrieger,
die stets nach dem Einmarsch in die Parallelgesellschaft rufen.
Schon lange genug ist Integration kaum mehr als die
Mohrrübe, die den Migranten vor die Nase gehalten wird. Der
sie hinterherlaufen, ohne sie je zu bekommen. Jeder in Deutschland
versteht etwas anderes unter Integration, aber eines ist klar: Den
Maßstab für Integration legen die Einheimischen fest.
Und sie befinden auch darüber, wer integriert ist und wer nicht.
In Frage kommt als Alternative zur integrationalen
Illusion die kosmopolitische Utopie, die repräsentative Akzeptanz
der Gettos als eigenständige autonome Lebenswelten. Denn sie
sind die Antwort auf die züchtigenden Zyklen der kapitalistischen
Gesellschaft, die vereinzelt, vereinsamt und entfremdet. Und zu
den Grundfesten einer emanzipationsfähigen Bürgerrepublik
gehört der Laizismus, was heißt, den christlichen Kirchen
als Träger des kulturalistischen Mysteriums aller Vorrechte
zu entheben.
Coming-out mit Cartoons-Comics:
Kombinierte Kulturkriegs-Kapriolen statt homerischen
Gelächters auch im Teutonen-Tempel
Die Aufgabe von Religionskritik, religiöse Nebelvorhänge
zu zerreißen, um die dahinterliegende Realität sichtbar
zu machen, beinhaltet auch, die "weltliche" Mythologie
zu bekämpfen, die imperialistische "Kriege der Kulturen"
als Kampf gegen religiösen Fanatismus verklären will.
Freidenker werden in einer derart verkehrten Welt nicht die ihnen
zugedachte Rolle der nützlichen Idioten des Imperialismus spielen,
und sich nicht als Propagandisten vor den Karren antiislamischer
Rassisten und Weltordnungskrieger spannen lassen. (Klaus Hartmann,
Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes in "junge Welt"
vom 4. Februar 2006)
Ein dänisches Blatt druckte billige Cartoon-Comics
als kritische Kunst, die krampfhafte rivalisierende Reaktionen in
der islamischen Welt evozierten. In schmuddelig-kalten Rädern
der Weltgesellschaft ging der Rauch der brennenden Flaggen auf.
Provokation gelungen. Die mentale Unschuldsmiene der
Protagonisten mischt mit, markiert den Markstein und protegiert
die medialen Maskerade, Comics zu einem Weltbürgerkrieg zu
manövrieren. Auffällige Beweise liegen vor, geliefert
über Satelliten, in Bildern von Demonstrationen, die deuten
sollen, wie gewaltbereit die Muslime sind, die schreien und als
Schurken schurigeln.
Unter der divers reservierten Devise "Aufklärung"
reift eine Kirche heran, die zum gefährlichsten Dogma aller
Zeiten auf den fürstlichen Fußstapfen des Kolonialismus
forciert. Der besitzstandsbesessene funktionelle Fundamentalismus,
der über die Technik der Gewalt verfügt und sich als höchste
Gut erklärt. Er praktiziert Privileg, klassifiziert zwischen
oben und unten, reproduziert die Differenz, setzt Grenzen fest:
Hier das Hochheilige, dort das Hinterhältige. Lebt von Metaphern
und Mythen, erzeugt Sensationen, kommuniziert mit Idolen und Ikonen.
Die systemparat strukturelle Gotterkenntnis "Aufklärung"
will als Gewaltapparat das spirituelle Andere nicht überwinden,
braucht das gekränkte Gegenüber, um sich selbst zu definieren.
Sie ist Vorbote aller Wertsuche, Wächter der Verbote. Kapitalistisch
kreiert, demokratisch dogmatisiert, eindimensional determiniert,
diktiert sie die Demarkationslinie: "Wir" gegenüber
jenen Dämonen, die "uns" als Domäne der Ewigkeit
widersetzen. Hier das Wander-Varieté der Waren-Varia, dort
die Barbaren.
Den Cartoon-Crash instrumentalisierten die Tüftlergenies
der aufklärerisch autorisierten Avantgarde, die Theokratie
als destruktiven Gegenpol der Demokratie zu entwerfen, und entfernten
die Gleichrangigkeit der Andersartigen aus der Formel "Liberté-Ègalité-Fraternité".
Auf ähnlicher Ebene ballen sich Interpretationen und Inspirationen
zusammen. "Der Islam ist der große Andere," orakelt
Thomas Assheuer in "Die Zeit" vom 16. Februar 2006, "und
der Gegensatz, den er zum freiheitlichen Westen bildet, ist so absolut
und existenziell wie die Antithese von Freund und Feind."
Mit dem erdichteten "Ende der Geschichte"
hat die Evolution bereits den Gipfel erreicht. Der Planet Erde befindet
sich in der sicheren Hand des Allmächtigen, unter dessen Gebot
sie den Ursprung der Arten aufs Neue artikulieren.
Freie Marktwirtschaft favorisiert die Global Players
als Götterbildnis auf dem Olymp der Zivilisation. Die neoliberale
Novelle des Kapitalismus gründet sich auf der harten Konkurrenz,
welche die Oligopole friedlich unter sich um die Kontrolle des Zentrums
austragen. Blutige Konflikte verlagern sie in der Peripherie.
Kultur als Synonym für Rasse
Das Dreigroschenheft der Demokratie dokumentiert beim
genauen Hinschauen nichts außer der parlamentarischen Parabel
der Domänen-Diktatur.
Der Dialog der Kulturen bzw. der Religionen entpuppte
sich als eine postmoderne Pappmache, ein super-imperialistisches
Projekt, welches zum Ausdruck bringt, daß die kriegerischen
Konflikte lösbar sind, wenn sich die enteigneten Erdenbürger
ihrem Kismet hingeben. Der Formel der Kulturen wohnt zentral die
Konkurrenz inne, der Konflikt überhaupt. Hier wiegt das Recht
der Stärkeren auf Monolog vor, welcher der Solidarität
der ausgebeuteten Klassen mit der Drohkulisse des totalen Krieges
begegnet.
Die Taktiker der Talksociety scheuen kein Tandwerk.
Denn sie tragen den Talisman des Talentierten. Ihnen gelingt immer
die Konversion von ein paar Kolonisierten, die sie dann einsetzen,
um beim breiten Publikum die Assoziation zu wecken, daß ihr
Gedankengebäude den Halt nicht verliert. Dank dem Cartooncrash
nähern sie sich dem Absoluten einen Schritt weiter. Der Abstand
zwischen dem islamischen Terrorismus und Glauben wurde schmaler.
Der Islam ist, den ererbten abendländischen Eigenarten entsprechend,
der Terrorismus selbst.
Der Theaterpotentat von Teheran bestätigt den
Anspruch des Abendlandes, Hüter des Holocaust-Vermächtnisses
zu sein und die Schuld aufs Morgenland zu projizieren sowie ihm
den Kassenbon zu servieren, obwohl es sich hier um ein abendländisches
Verbrechen dreht.
Verlieren muß das Menschentum aus dem Gedächtnis
das Kreuzzugsdenken des Christentums. Vom "Millet-System",
das den Christen und Juden ihren Glauben zusicherte, will man nichts
wissen.
Neu ist das Martyrium nicht, daß den Zivilisierten-Zentren
droht, überfallen zu werden. Nach den kräftigen Reaktionen
auf die kränkelnden Cartoon-Comics des rassistischen Dänemarks
beklagt man den demographischen Prozeß, der hinter dem islamischen
Vormarsch in Europa stehe. Der Großteich der larmoyanten Lyrik
schwillt an. Nicht mehr nur liegt die Feste belagert, sondern fast
unterwandert, überfremdet. "Der Leichengeruch der eigenen
Kultur zieht durch die Straßen", lamentiert Dieter Stein
im neurechten Zirkular "Junge Freiheit" vom 17. Februar
2006, "während die Morgenröte des Islam anbricht."
Der Groll auf das Gegenfeuer des Westens erwächst
zu lodernden Flammen, zum Weltsteppenbrand. Die Husaren der Hetz-Legenden
logieren im Gästehaus der Denkfabriken, im Breitwandformat
ihrer Produkte. Wer Schutz vor dem anschwellenden ideologischen
Schmutz sucht, muß unter den Teppich fliehen. Negiert wird
die Geschichte als gemeinsames Gedächtniszentrum der Zivilisation.
Das Gefecht der Schlächter gegen die "Schläfer"
umfaßt das Geflecht der Gerechtigkeit. Es verging kein einziger
Tag im klaftertief kalten Winter, an dem die Katastrophenkracher
der globalen Kamarilla nicht kalkweiß vor den Kameras standen
und den "Krieg der Kulturen" herbeiredeten.
Mit dem Konflikt der Kulturen kalkulieren sie seit
dem Ende der ideologischen Blockkonfrontation, aus der die neoliberalen
Kreischer des Kapitalismus als Sieger hervorgingen. Sie argumentieren
mit der Kultur - aus ihrem Urstand als ästhetischer Ausdruck
des gesellschaftlichen Lebens entrissen - als symbolische Größe,
als Inbegriff von allem, was instrumentalisierbar erscheint. Mal
als Synonym für Rasse, mal als Anonym für Klasse.
Im geld-gerecht geregelten und propaganda-parat programmierten
Diskurs sind die zentralen Elemente der Kultur mehr als Religion
und Sprache. Es sind die Mythen der nordischen Nomenklatur, das
raucherfüllte Gestern, das die Gelüste der Gegenwart widerspiegeln
soll.
Endlich kapiert, wo hier der Hammer hängt, nämlich
der Frust der Islamis auf den Westen. Da schlottert den Herkulessen
der Gedankenfreiheit plötzlich die Hose, und sie gehen vor
den Kameras auf die Barrikaden, reagieren affirmativ auf den Gegenschall
der Krieg heischenden Kameraderie. Denn die Arroganz verwandelt
sich ins Gegenteil, nämlich in die Angst um den aufgetürmten
Reichtum.
Hoch im Debatten-Duktus, dick und fett die Überschrift:
Kampf der Kulturen. Alle schreien danach. Lauthals wie die Sirene.
Alle rennen ihr nach. Außer Atem. Alle huldigen sie wie einen
Bibel-Vers. Doch sie will nicht, gibt keinen Wink, bleibt verschlossen
wie eine Stahlschatulle, ein Mekka, Mythos, Metapher.
Wer Kulturkreis malt, manifestiert Militärschlacht
Derzeit wird das angebliche Zurückweichen der
freien Presse vor dem Islam lautstark beklagt, während ihr
viel folgenschwereres Zurückweichen vor dem Kapital seit Jahren
klaglos hingenommen wird. Das verrät eine Betriebsblindheit,
die schon an Fahrlässigkeit grenzt. Wenn der Westen ernsthaft
glaubt, die Pressefreiheit in Europa hinge davon ab, ob man dem
Tabu des islamischen Bilderverbots widerstehen könne, so hat
er noch ein gutes Stück Aufklärung vor sich. (Daniela
Dahn in "Freitag" vom 17. Februar 2006)
Selbstgefällig mandatiert sich eine Diskurswerkstatt
der Presse- und Kunstfreiheit bei Interventionen im "Reich
der Bösen". Verblüfft kann sie verblöden und
verblenden, wenn ihre Wortführer Solidarität mit den Demagogen
der Libertinage bekunden.
Die Possenmacher des "Jyllands-Posten" überschritten
den Rubikon nicht, attackierten die Regelwerkstatt des "political
correctness" nicht, indem sie Paparazzis auf die Jagd nach
Skandalbildern aus der Privatsphäre der Oberschicht schickten.
Daher waren sie sich der Solidarität einer breiten publizistischen
Front von Voltairianern sicher, die eigentlich unter der Agnosie
leiden und alles für das hohe Schutzgut halten, was sie sich
unter dem stehenden Ausdruck "Aufklärung" aneigneten.
Als hohes Gut begutachten sie die Freiheit des Ausdrucks,
betrachten sie so weihevoll wie ein Kruzifix, plagiieren daraus
Suffixschlangen, die sie irgendwann beim Teutonen-Grill an der Riviera
gegen Russen-Horden und Hunnen-Huren patrouillieren lassen werden.
Zu Hause aber darf das Klischee der kopfbetuchten armen Türkin
nicht entsorgt werden, damit die Überlegenheit der Alteingesessenen
legitimiert bleibt.
Was um die Pressefreiheit vergossen wurde, war ein
Meer an Krokodilstränen. Die Papageien des papalen Patriotismus
propagierten keinen Handstreich auf christlichen Wertekosmos und
auf Anti-Paparazzi-Paragraphen.
Zum Überlaufen wurde eigentlich das Gefäß
der Pressefreiheit gebracht, das mit dem aufklärerischen Abwasser
und Schund voll war.
Die Gescholtenen der Herrenmenschen-Manieriertheit
kontern ihre Kritiker notfalls auch mit Karikaturen, die weder künstlerischen
noch kommunikativen Charakter haben, sondern nach Konfrontation
kreischen. Darin kommen Generalverdacht und Repression gegen Repräsentation
des islamischen Glauben zum Ausdruck. Fabeln haben auf dem Feld
der Weltkenntnis Oberwasser. Belege bleiben im Nebel.
Nicht mit Comics haben die Mohammed-Cartoons im geringsten
zu tun. Sie lösen weder Gelächter aus, noch Schabernack.
Und die eigentliche Missetat, der sich die Laien-Künstler schuldig
machten, besteht nicht aus dem Affront auf den Glauben, sondern
daraus, die Regeln des Humors mißachtet zu haben. Karikieren
läßt sich nämlich eine Person nicht, von der kein
Bild existiert. Dazu der türkische Karikaturist Metin Üstündag,
Herausgeber des wöchentlichen Satireblatts "Penguen"
in einem "Jungle World"-Gespräch vom 8. Februar 2006:
Mir ist es ... nie in den Sinn gekommen, den Propheten
Mohammed zu zeichnen. Nicht weil dies nicht zulässig wäre,
sondern weil es ein handwerkliches Problem gibt. Von Mohammed existieren
keine Darstellungen, die man aufgreifen und karikieren könnte.
Eine Karikatur funktioniert dadurch, dass man etwas, das es schon
gibt und das die Leute kennen, überzeichnet. Man kann nichts
karikieren, von dem es kein Bild gibt. ...
Mich stört die Art, mit der viele Europäer,
oft die, die sich uns Oppositionellen verbunden fühlen, auf
uns herabblicken und sich dabei so aufplustern, als seien sie weiß
Gott wie großartig. Wenn sie dann unsere Satirezeitschriften
in die Hand bekommen, staunen sie, wie entwickelt und vielfältig
unser Zeichenstil ist, wie reich unser Humor ist. Und sie sind überrascht,
wie radikal und freizügig unsere Publikationen sind. "Bei
uns gibt es keine Zeitung mit einer so hohen Auflage, die sich solche
Dinge trauen würde", sagen sie dann.
Fingierte Tyrannen-Tour durchs »Tal der Wölfe«
Laienlärm vor der Leinwand - Inquisition
im Halbdunkel
Spätwinter 2006. Es graute im Blätterwald.
Ein aus der Türkei geliehenes Kinoprodukt erhitzte die Gemüter.
Es dreht sich dabei um den anglo-amerikanisch kommandierten zivilisatorischen
Feldzug im Erdstrich Mesopotamien und hinterher um den erträumten
Sieg des Orients über den Okzident.
Die Wilden kommen zu überfremden und unterwandern,
lautet die Botschaft derer, die sich auf die Hühneraugen getreten
fühlten. Wovor neurechte Regimenter Alarm schlugen, ist den
Voltaire-Adepten und den Adlaten der aufklärerisch ausgeklüngelten
Vollkommenheit Edikt geworden: Die Gefahr des islamischen Vordingens
in Zentren der Zivilisation dämmert über dem alten Kontinent
herauf. Universal uniformierte Epigonen der Politokratie befinden
sich im Höhenflug, prahlen im Urbanen-Parkett ihrer uninformierten
Untertanen.
Vor dem Krösus katzbuckelnd begannen die medialen
Musketiere das Mysterium Abendland aufs Neue zu memorieren. Die
Meisten verstricken sich in die Kabale, deren Faden der Anonym,
also die "unsichtbare Hand" des Mammons, in den Händen
hält.
Eine breite Feuilleton-Front rührte die Reklametrommel
für den Gegenstoß gegen den westwärts unterwegs
fortwährenden islamischen Vormarsch. Sie reicht von judeophiler
Linken wie "Konkret", "Jungle World" oder "Bahamas"
über aufklärerische Reformatoren wie "taz",
"SZ" oder "Die Zeit" bis hin zu den vaterländisch-patriotisch
potenzierten Printimperien wie "Die Welt", "FAZ"
oder "Der Spiegel".
Geschäftige Gesellen der schreibenden Zunft nannten
das Kinoprodukt "eine platte, ziemlich dumme und hemmungslos
antiamerikanische Antwort auf Abu Ghraib", "ein übles
Machwerk" ("taz", 17.02.06), welches "nicht
alle ... bloß als Fiktion betrachten (werden), sondern als
Beschreibung eines realen Kampfes: Wir gegen die" (Spiegel
online, 14.02.06)". Einen "synptomatischen panislamischen
Hetzfilm" ("taz", 22.02.06). "Einen antiamerikanischen,
antichristlichen, ... einen türkisch-nationalistischen und
pro-muslimischen Streifen (FAZ.net, 16.02.06). "Einen Rambo-Film,
geschickt auf die Stimmungslage des türkischen Publikums zugeschnitten.
(Die Welt, 16.02.06). "Einen amerikanischen Triumph: Wie man
den Kampf um die Bilder in den Köpfen am geschicktesten führt,
haben seine Macher in Hollywood gelernt" (Die Zeit, 16.02.06).
Gerade in der Narrenzeit profilierten sich die Honoratioren
der Tretmühle hühnenhaft besorgt um die türkischen
Jünglinge wegen der Gefahr, durch den "rassistischen,
antisemitischen Haßfilm" vielleicht "radikalisiert",
wenn nicht kriminalisiert zu werden. Das Plädoyer für
ein Verbot, zumindest durch Selbstzensur der ehrenwerten Kinobetreiber,
erfüllte sich zum Teil, damit die Vogelstraußstrategie
im Kontext mit dem aufklärerischen Unikum. Doch "Tal der
Wölfe" provozierte die Advokat-Adlaten der adligen Affenkomödie
zum Heulen. Es kam beinahe zu einer Trophäenjagd der Journaillen-Meute,
zu einem zeitweiligen Exkurs ins Kinodunkel. Dabei ging es - mehr
heikel als heiter - nicht um die Bilder auf der Leinwand, sondern
im Raum davor. Im herrisch heimischen Kardinalpunkt zeichnete sich
schließlich die importierte heillose Heimtücke derer
ab, denen es gilt heimzuleuchten, statt die Freundeshand zu bieten.
Manchen der Exkurs-Kunden überging manch einmal vor den hitzköpfigen
Halunken sogar das Herz. "Jetzt bekam plötzlich ich meine
ersten echten Integrationsprobleme unter den Türken in Berlin,"
heuchelt Eberhard Rathgeb "Frankfurter Allgemeine Zeitung für
Deutschland" 16. Februar 2006:
Ich hielt mich an der Vorstellung fest, daß
ich ja nur in einem Kinosaal in Neukölln saß, gleichsam
in einer Gesellschaft sehr kurzer Dauer. Doch mußte ich, während
der Scheich seine Worte in die Welt schickte, daran denken, welche
Integrationsprobleme ich und all die viel Jüngeren in Berlin
(und nicht nur in Berlin) in einigen Jahrzehnten bekommen würden,
und zwar nicht mehr nur in einem Kinosaal in Neukölln, sondern
schon weit draußen vor dem Kino in der Wirklichkeit. Im Februar
2006 lernte ich mitten in Berlin mein Minderheitengefühl kennen.
Das Bild der hohlen Hooligans, das mit zornroten Protesten
gegen die kulturalistisch kommandierten Gazettencomics begann, hatte
die Short Story vom massenhaften Türken-Sturm im Lichttheater
zu vervollständigen. Im Cartoon-Konflikt erklügelten die
Themen-Tüftler zum Teil einen affektierten Affront auf die
Gefühle von jenen muslimischen Massen, die unter prekären
sozio-ökonomischen Prämissen einen aufwiegenden Rückhalt
im Glauben gesucht hätten. Ähnlich gingen sie gegenüber
den Kinobesuchern mit vorder-orientalischem Hintergrund vor.
Das Urteil, daß es sich beim besprochenen Kinoprodukt
um einen primitiv provokanten Tand dreht, saß in den Schädeln
der demokreativ aktiven Reporter per se. Viele fühlten sich
berufen, Aversionen gegenüber "Tal der Wölfe"
ausstoßen zu müssen, ohne ihn direkt in Augenschein nehmen
zu wollen. Auch das grüne Greenhorn, der Alibi-Ali im Europäischen
Parlament und Quoten-Kolumnist des ethno-deutschen Feuilletons,
der dreiste Alle-Welt-Apostel der Floskel "Dialog", Cem
Özdemir, gab sein Statement ab:
Man könnte den Film nicht weiter beachten, ihn
als die übliche Action-Klischee-Nummer abtun und es gut sein
lassen. Aber wer einen solchen Film produziert, der will nicht einfach
unterhalten, sondern rechnet damit, dass er rassistische Einstellungen
bedient und verstärkt und den Dialog erschwert. Dieser Film
erschwert einmal mehr all jenen die Arbeit, für die das Wort
"Dialog" keine billige Gutmenschen-Floskel ist - und dieser
Tage ist es offensichtlich Mode, anderen absichtlich oder unabsichtlich
die Arbeit zu erschweren. Und wer diesen Film gut findet, sollte
zu den veröffentlichten Mohammed-Karikaturen besser schweigen.
(Spiegel online, 16.02.06)
Wer nun diesen schwatzhaften schwabischen Moralprediger
nicht wiederholen will, gehört längst zur Gegenfront.
Denn hier herrscht die echte, hochgescheite Bush-Formel des hegemonialen
Monologs: Entweder für oder gegen uns. Alles, was nicht für
unseren Kreuzzug ist, stellt ein potentieller Büttel für
den Dschihadismus dar.
Welchen Reim sich die selbstbestellten Tugendwächter
des zivilisatorischen Zyklen-Zirkus auf den Globus machen, offenbart
sich holzschnittartig in der Konsequenz, daß sie ihren Zeigefinger
zeichenhaft auf die brünett bunten Communities aus dem vorderen
Orient richten und brüllen: Da sind sie, immerdar draußen!
Rätselvolle Renaissance des Rassismus
Nach drei Jahren Irak-Okkupation gibt es immer noch
keine Hollywood-Eloge über die "mit Blumen begrüßten
Marines", stattdessen Bilder von alltäglichen Horror-Szenarien.
Der Höllenlärm von Explosionen und Donnerbüchsen
wird seit der Gewalttour der Demokratie-Desperados nur noch vom
Dröhnen der Flieger übertönt, die unaufhörlich
über die urbanen Quartiere im Zweistromland kreisen.
"Tal der Wölfe" hält, bekunden
seine Produzenten, den gegenwärtigen Gesellschaften den Spiegel
vor, erdichtet keine Geschichten. Er reflektiert sie, riskiert auf
sie ein vom westlichen Wertekosmos abweichendes Auge.
Falls die "Macher" dieses Bildstreifens
gar rassistische Ressentiments gebrauchen, so haben sie das allenfalls
aus Hollywood gelernt. Endlich verstehen die Architekten dieses
Lehrgebäudes die Tragweite ihres Werkes. Der Rassismus bediente
biologische bzw. genetische Merkmale, der Film aber nicht. Seine
"Dreher" dokumentieren die kulturellen Klischees, haben
nicht das Geschick für den Trick, den Zauberstab zu schwingen
und aus dem Nichts triviale Torturen auszukochen.
Hingegen basieren die Kommentare der medialen Meute
auf Metaphern, auf kulturkriegerischem Jägerlatein, Malum und
Marasmus, auf alles Menetekel, dessen Urquell sie allein im Morgenland
beobachten.
Ein Rambo- oder Bond-Film galt immer als ein Produkt,
das ohne den Triumph im Kalten Krieg keinen Wert hatte. Die Adressaten
der Botschaft, die er verbreitete, wurden meist von Mythen aus den
militaristischen Gedankenwerkstätten der Krautjunkern vorgegeben.
Das eigentliche Gewicht dieserlei Kunstfertigkeit liegt in Wahrheit
auf der Traditionslinie des Urbanen, der auf der Trophäenjagd
besonders auf die Barbaren angewiesen ist, um über sie zu bramarbasieren.
Im Train der Trophäenjäger findet das Training
der triumphalen Triarchie aus Marketender-Mandatar-Messias oder
Magnat-Manager-Mentor statt. Es sind dann Heldentaten der Titanen,
Trauer statt Traum im Tränental von Unterworfenen hinterlassen.
Der Rassismus als blutiges Handwerk des Kolonialismus lebt nicht
im "Tal der Wölfe" fort. Er ist ein abendländisches
Produkt, und jetzt mußten seine Urheber plötzlich erfahren,
wie das in den elenden Händen der Hollywood-Adepten gegen sie
gedreht wird.
Offensichtlich entzogen sich die orientalischen Comming
men der Gehirnmanipulation und suggerieren, daß sie sich nicht
länger als schurkischen Objekte des Drachen drangsalieren lassen,
sondern auch als Scheusal zu handeln fähig sind - mit einem
Comming-of-Age-Drama.
Das authentische Coming-out der aufklärerisch
autorisierten autonomen Kompanien in Kooperation mit gleichermaßen
genialen Gilden des Geldscheffelns amüsiert mehr als die Comic-Kunst
der kleinbürgerlichen Bornierten. Die These, daß die
Demokratie eine durch den Urnengang und urban untermauerten Stimmenfang
gestützte Oligarchie ist, findet hier einen weiteren Beweis.
Die judeophile Fanfarengemeinde
Der Aufruhr der Völker im unterentwickelten Teil
der Welt gegen die, auch kulturell schmerzhaft empfundene Hegemonie
des Westens wird damit per se als antisemitisch denunziert. Das
ist das böse Erbe der faschistischen Gegenaufklärung:
Die Identifizierung von Judentum und Kapitalismus, wie in der Naziideologie
vorgenommen, wird von den Bushisten und ihren immer zahlreicher
werdenden europäischen Anhängern - umgekehrt gewertet
- fortgesetzt. Der zeitgeistige Philosemitismus erweist sich als
umgestülpter Antisemitismus - in seiner ordinärsten Form.
(Werner Pirker in "junge Welt" vom 25. Fabruar 2006)
Das antiamerikanische Heroen-Stück verunglimpfe
die Juden und nehme den Antisemitismus in Gebrauch, zerpflücken
die Zeitgeist-Guerilleros eine Szene, in der eine Gestalt im weißen
Kittel den irakischen Gefangenen bei lebendigem Leib die Nieren
herausnimmt und sie in Transportbehälter mit dem Aufdruck "Tel
Aviv", "London" und "New York" steckt.
Sichtbar wird der Organhändler im Habitus eines Juden, so daß
die Junioren des Junkertums und Jünger des Toleranz-Tempels
mit der Demontage ihrer Opferperspektive konfrontiert werden.
In der Tat kommunizieren die Geistesfürsten der
germanophilen Get-together-Party und die selbst ermächtigten
Kommissare der judeophilen Routine nicht mit der universalen Route
einer libertären Lehrfahrt, sondern mit deren Zerrbild. Instrumentalisiert
werden derartig demütigende diverse Dramen vielmehr, um die
nordisch weiße Dominanz als weise Werte-Warte zu dekorieren
sowie als naturhaftes Konstrukt der Humanitas zu dokumentieren.
Alles, was in den Geruch des Antisemitischen gerät, ist antiwestlich.
Und alles, was sich gegen westliche Weltherrschaftsambitionen richtet,
ist antisemitisch, obwohl dies über Jahrhunderte hinweg die
abendländische Ideologie des Verbrechens verkörperte.
Welch ein drahtiger Dreh, den dunklen am eigenen Hals klebenden
Schandfleck weißzuwaschen.
Fernerhin kommuniziere der Actionthriller sogar mit
frühmittelalterlichen Satrapen, heißt es in manchen Pamphleten.
Damit hege man Blütenträume auf die Zeiten des Osmanischen
Reichs und Haß gegen die Gegenwart. Damit entferne sich der
"sanfte" Islam immer immenser von ihrem byzantinisch bestallten
Ziel, im christlich kapitalistischen Club einen Platz vermutlich
ganz hinten im Parkett einnehmen zu können, wenn die Potentaten
am Bosporus solchen wider-westlichen Vorboten nicht mit Verboten
begegnen. Sie sollen den Gemeinplatz "Allianz der Zivilisationen"
nicht übersehen, auch wenn dabei das heilige Gut des Westens,
die Freiheit des Ausdrucks auf der Strecke bleiben sollte.
Allen Ernstes: Es braucht nicht erst diesen Streifen
des Bond-Plagiats, um über die Gräuel Uncle Sams im Zweistromland
in Wut zu geraten. In Reaktion auf das koloniale Wiederkommen läßt
er sich nicht als Manifest zum Aufstand gegen die super-imperialistischen
Okkupationshorden einordnen. Viel mehr ist er dazu geeignet, die
Geknebelten durch einen mit Fabel und Fantasie angereicherten rache-riechenden
Cocktail zu faszinieren.
Die Rebellion gegen die nordamerikanische Nomenklatur
des nordischen Imperiums kann kein Fall von ein paar Maulhelden
sein. Somit manifestiert sich die Produktion nicht als Opus des
Triumphs, sondern als Trumpf von Rachsüchtigen.
Wer diesen Reißer in einem ramponierten Weltalter
des Raubtierkapitalismus dennoch als Zombie-Zeichen, gezielten Fehdehandschuh
deprimierter Dilettanten oder gar Brandbeschleuniger einstuft, hantiert
mit der Reserve der Revanche.
Tatsächlich geht das gesamte Geschreibsel in
den allermeisten Revolverblättern den Eleven der evangelikanen
Eremiten apokalyptischer Apologie zur Hand.
Die systemimmanent gesteuerte Selbstzensur
Bevor die Frontreporter der Journaille ins Kino gingen,
wußten sie, was sie zu sehen hatten. Manche von ihnen befanden
sich vielleicht nicht einmal am Tatort. Sonst müßten
sie einen anderen Bericht bewerkstelligen als den redaktionell Bestellten
und hinnehmen, in der Nebenseite gelandet zu haben wie Susanne Gaschke
in der "Zeit Online" vom 23. Februar 2006, dem "die
Aufregung mancher Feuilletons und die Verbots- und Absetzdiskussionen
nicht wert zu sein" scheint:
Nun also, dachte ich, ein Propagandastreifen, der
auch noch das vielleicht nicht großartige, aber doch ziemlich
zivilisierte Zusammenleben von Türken und Deutschen in Deutschland
kaputtmacht. Die ersten Berichte jedenfalls lasen sich haarsträubend:
Antiamerikanisch, antisemitisch, antichristlich, gewalttätig,
aufwieglerisch sei der Film. Und offenbar johlten allenthalben die
türkischstämmigen Zuschauer, wenn die amerikanischen Erzbösewichte
abgeschossen oder abgestochen wurden.
In der Vorstellung, die ich dann besuchte, um mir
meine Vorurteile bestätigen zu lassen, johlte niemand.
Die Cine-Maxx-Kinos nahmen "Tal der Wölfe",
der als Folge einer generalstabsmäßig gelenkten Kampagne
als Hetzstück abgestempelt wurde, aus ihrem Programm. Der bayerische
Medienminister Eberhard Sinner triumphierte: "Die Absetzung
dieses Hass-Films durch die größte deutsche Kinokette
ist ein wichtiges Signal der gesellschaftlichen Verantwortung."
In "Süddeutsche Zeitung" vom 23. Februar 2006 fragt
sich Fritz Göttler:
Kann man also davon ausgehen, dass der bayerische
Ministerpräsident Edmund Stoiber und sein Medienminister ...
den Film gesehen haben, den sie so vehement verdammen?
Wo haben sie ihn gesehen, in einem Projektionsraum
der Staatsregierung, in einem der vielen deutschen Großstadtkinos,
in denen der Film läuft, vor vorwiegend türkischem Publikum?
...
Ein aggressives Publikum, das nie mitgekriegt hat,
dass es einen Unterschied gibt zwischen Wirklichkeit und Fiktion?
In Wahrheit ist es ein durchaus bürgerliches
Publikum, das sich den Film anschaut, und dem schon gefällt,
dass ausnahmsweise ein türkischer Held am Ende siegt - auch
wenn wahrscheinlich jeder merkt, dass er gegen die weltweit strahlenden
Amerikanerhelden eine eher zweitklassige Figur abgibt.
Von einem solchen Standpunkt lassen sich die Wegbereiter
des "christlich-abendländischen Kulturkreises" mitnichten
beeindrucken. Am liebsten im Trüben sieht der Wolf den Glücksfall.
Der Laienlärm vor der Leinwand bietet diesen neokonservativen
Mullahs des Mäuse-Götzen die Gelegenheit, als Barden der
Brüderlichkeit zu brillieren, zugleich als tüchtige Türhüter
des Christen-Clubs unter dem Label "EU". Zum türkophoben
Tugendwächter avanciert, widmete der Bavuraniar-Boß der
Schwarzen-Sozialunion Edmund Stoiber mehrere Passagen seines Aschermittwoch-Referats
dem Reizthema Integrationspannen, verursacht durch Fehlgriffe wie
“Tal der Wölfe”:
Hier wird bewusst Hass gegen den Westen geschürt
und die Integration torpediert. Dieser anti-westliche Hassfilm fördert
nicht die Integration, sondern baut Feindbilder auf. Es ist in einer
freiheitlichen Gesellschaft nicht hinnehmbar, wenn sich amerikanische
Staatsbürger aus Angst vor Gewalt nicht mehr in die Nähe
deutscher Kinos wagen. ...
Hier ist eine Grenze überschritten. Das dürfen
wir nicht hinnehmen. Es ist deshalb richtig, dass der Film nochmals
geprüft wird. ... Es geht hier nicht um Zensur, sondern darum,
dass so ein Film die von uns allen angestrebte Integration nicht
erleichtert, sondern massiv erschwert.
Hier also! Am Zitadellen-Zipfel der globalen Glorien
kreuzt der Toleranz-Troß als triumphale Tünche gegen
Abtrünnige auf, aus der sich die zopfigen Troupies der zünftigen
Blockparteien und ihre zeitnahen züchtigen Zöglingszirkel
nähren.
Freiheit als Husarenstück oder Hurenstreich?
Vulkane schleudern Felstrümmer aus, Wintertemperaturen
Feldstürmer. Das ideologische Amalgam der Ammenmärchen-Urheber
aus Humanität, Freiheit und Fortschritt schärft das Evangelikaner-Event,
das Gebet vor dem Gefecht. Doch es ist die Gegenseite, die den Konfrontationskurs
versus Dialog der Kulturen geht.
Die Freiheit wehrt sich, lautet die Lemma - ein Phänomen
im Endstand seiner Evolution. Ein heiliges Gut, das keiner kaufen
will, kein höheres Ziel, kein weiteres Stadium beim Studium
der menschlichen Geschichte bemerken läßt.
Welche Freiheit? Die des obersten Besitzstandes der
gesellschaftlichen Pyramide? Die der Oligarchien auf dem Geipfel
der monetär montierten, ökonomisch orchestrierten organischen
Pyramiden-Parade? Die der Oratoren des Ordo-Olymps, der omnipräsenten
Ökonomik und ihrer obligatorischen Organe? Die der okzidentalen
Kollektive "Wir" vor der muslimischen Mulde?
Die Kalten-Krieger haben sie erst hochgepäppelt
als Angaria-Agenten gegen den Kommunismus sowie gegen den an die
Blockfreiheit orientierten laizistischen Nationalismus.
Alles in allem: Die Allermeisten der Pressefreiheit
ordneten sich dem Ritterkreuz eines christlich-jüdischen Hurrapatriotismus
unter und richteten ihr Augenmerk darauf, die peripheren Wilden
in den metropolitanen Magistralen ins Bockhorn zu jagen. Olgun Bayrak
schreibt www.turkcom.org:
Dass sich gestandene Kolumnisten und Feuilletonisten
reihenweise zu Selbstversuchen genötigt sehen und sich in die
Niederungen der "Migrantenkinos" begeben sowie "allein
unter Türken" deutsche Untertitel mitlesen, um etwa Holzereien
zwischen dem amerikanischen Bösewicht und dem "türkischen
Rambo" zu verstehen, ist ein Anblick für Götter.
...
Man fragt sich nach diesem medialen Kulturkrampf jedoch,
was Türken überhaupt noch dürfen. Immerhin sollen
sie keine Actionfilme drehen, denn diese würden den "Clash
of Civilizations" schüren. Heiraten, ohne mit der Familie
zu brechen, sollen sie auch nicht, denn dies wären ja alles
Zwangsheiraten. Ferner sollen sie auf deutschen Pausenhöfen
gefälligst deutsch sprechen, ansonsten würden sie die
"Integration" verhindern. In Hauptstädten demonstrieren
sollen sie bitte auch nicht, denn das wären ja "Großkundgebungen
des Türkentums" und last, not least, sollen sie keine
Historiographie betreiben, denn das wäre ja "Genozidleugnung".
Es würde nicht verwundern, wenn demnächst
einige gelangweilte Chefredakteure sich dazu erblöden, türkische
Schnulzen rückwärts abzuspielen, in der Hoffnung, "geheime
Botschaften" und "Aufrufe zum Cihat" ausfindig zu
machen. Auch diese Idee stammt übrigens aus den USA.
Heidenspektakel der Kapriolen-Kompanie
Kasperliaden der Dialog-Domestiken zwischen den monotheistischen
Drilligen, deren moderate Musterknaben sich in einem militanten
Messianismus vertieft haben, gelten nicht dem wechselseitigen Respekt,
sondern der Ausflucht aus dem Apokalyptischen, das sie selbst kolportieren.
Sie kostümieren sich als Herolde, thronen auf dem Erdenleben.
Wirr wie widersprüchlich ist die humanitäre
Variante der Zivilisierten-Varieté. Die lauthals gepredigte
Toleranz ist ein Behelf, um Gemüter zu erhitzen. Die Gepeinigten
haben gefälligst Zucht und Zügel der Zunft-Zeloten mit
Zugabe zu zelebrieren.
Die Metropol-merkantile Manie des Manichäischen
hat das Böse zu vergegenwärtigen. Die Apostel der aufklärerischen
Kirche appellieren nicht mehr an die Vernunft der Einzelnen, sondern
an die Herkulesse im "Krieg der Kulturen", der noch ein
"Crash of Cartoons" ist. Einmal vom Zaun gebrochen, wird
sich sein Rauch lange nicht verziehen.
Die Fundamentalisten der Feuilletons führen den
Weltkulturkrieg, indem sie jene Metaphern als Tatarennachricht aussäen,
die in den Laboren Pentagoniens fabuliert werden: Terror aus dem
Tartarus!
Das soll verblenden, daß die USA - ein Siedlerstaat
mit dem Gemetzel der Indianer im Gedächtnis - das mächtigste
Imperium sind, das die Erde je sah, damit das Gewalttätigste.
Aus dem schwindelerregenden Chaos schlußfolgern seine Oberhäupter
wüste Stories, die sie erst erzeugen, dann für ihre Feldzüge
instrumentalisieren. Und der Patriotismus, unter dessen Panier die
Yankees paradieren, ist der Aberglaube, der das Handwerk zum Marodieren
und Morden spitzt.
Er ist mit dem Gottvertrauen nicht vergleichbar, der
seinen Ursprung im Unvermögen der Menschen hat, naturgetreue
Phänomene zu ergründen, ohne sie einer transzendenten
Gewalt zuzurechnen.
Auf der johlenden Jagdpartie nach dem Armageddon dämonisiert
die Aufklärungsarmada der superimperialistischen Journaillen-Junta
mit geballter Wut das ästhetische Pendant ihrer esoterischen
Phantasie, dem sie dann nichts als Tückisches unterstellt.
Die gewerbliche Presse verpflichtet sich nicht dem
Denken des freien Individuums, sondern dem Fundus ihrer eigenen
Profite, die sie über Anzeigenaufträge reklamiert. Sie
duldet im marktmentalen Mainstream nur, was nicht stört. Unbequemes
gilt auszumisten. Reklame regelt und macht aus den kritischen Querdenkern
lendenlahme Lämmer.
Die Herzen dieser Freiheitlichen schwellen vor Hochgefühl
beim Geistesblitz, daß das westliche Machtzentrum so monumental
ist und allzeit in der Lage, seinen Fuß auf den Nacken all
seiner Rivalen zu setzen.
Niemals zuvor hatten sie im Sinn, der Kardinalfrage
nach bewußt Bösartigen oder albern Artigen auf die Schliche
zu kommen. Man krittelt mehr an der Fiktion als an den Fakten. Man
horcht herum, um dem als häßlich klassifizierten Gegenüber
eine Standpauke zu halten. Hauptsache, die misanthropische Heimleuchte
sitzt.
Mit welcher Sorte der Soße auch immer vermengt,
die Doppelzüngelei hört nicht auf halbwertig zu riechen.
Patronaten-Drang der Dragoner-Patrouille
Dem kritischen Blick aufs Gestern liegt Kraft zugrunde,
wenn ihm der Blütentraum vom Morgen innewohnt. Wer das Gewesene
schlecht benotet, muß sich davon ein Bild machen, was für
das Künftige gut ist.
Einzigartige Konturen kreuzen im Revier der Revuen
und Revolverblätter. Hinter der Larve der humanitären
Lesart lassen die Larifari-Legionen keine Differenz zu rassistischen
Radikalen erkennen, liefern dieselben Litaneien in die Tretmühle
und leisten behände den bellizistischen Blendern der Plutokraten-Pyramide
willfährigen Handlangerdienst, bürsten beharrlich libertäre
Weltbilder gegen den Strich, lobhudeln unterschwellig jene Zuchtstätten,
die seit der Renaissance der Kreuzzugskulte unter Star and Stripes
Hochblüte zeitigen.
Je toleranter sich das Aktionären-Varieté
der aufklärerischen Werte-Warte und ihre Kumpanen der Tugendtünche
dünken, desto totalitärer gestalten sich die gesellschaftlichen
Dominanzen. Solange außerhalb der Mauern des Parlamentarismus
kein Spielraum Licht ausstrahlt, alles im retrospektiven Schlagschatten
der bürgerlichen Borniertheit auf der Stelle tritt und die
sozial revolutionären Ideale durch die Graben-Garden des Marktes
zugemauert bleiben, fruchtet die Furcht.
Die postmoderne Revue der Reaktion hat nur eine Botschaft:
Es gibt keinen Morgen, alles muß ins Heute integriert werden.
Die sekulären Systeme und die Subsistenz-Existenzen werden
so selektiv suggeriert, daß daraus die Segmente eines absoluten
Gottvertrauens dem sakrosankten Syndikat der Grossisten subsumiert
sowie durch die Orwellsche Gedankengewalt stigmatisiert werden.
Im Tarnanstrich "Demokraten gegen Theokraten"
formiert sich eine renovierte Kriecher-Kompanie einer monetär
renommierten Reformatoren-Meute. Mit einem von EMMA-Patrona Alice
Schwarzer aufgemöbelten "Manifest der 12" (Apostel)
propagiert sie einen ideologisch novellierten Gemeinplatz gegen
einen trotzigen "Totalitarismus", brütet aus dem
Windhauch einen mysteriösen Zyklon aus, nämlich einen
zornroten "Islamismus" und klassifiziert ihn als "eine
reaktionäre Ideologie, die Gleichheit, Freiheit und Sekularität
tötet." Zutage tritt im blauen Dunst des hohlen Werte-Universalismus
von Neuem der militante Missionarismus, der den Häuptern der
okzidental ökonomischen Tyrannei die Absolution erteilt. Zugleich
zeichnet sich die aufklärerisch artikulierte Attacke als das
Manöver für die Renaissance des Kolonialismus im höchsten
Stadium. Ihm geben nicht mehr die barfüßigen Bataillone
der Schwarzröcke Geleit, sondern die freiheitlich-demokratisch
fingierte Formation der endkapitalistischen Fundationen. Anders
läßt sich das System der Freibeuter- und Zinszyklonen
nicht instand halten, jedenfalls nicht allein mit lauter vervielfältigten
Effekten und Brokergebrüll.
Überwältigt vom Megären-Mythos fühlt
sich Alice Schwarzer als Feldherrin eines Dragoner-Korps in einem
islamophob gefächerten Geflecht. Zuletzt in der März-April-Ausgabe
ihres Blattes zieht sie über die beiden Autoren eines "Offenen
Briefs" in "Die Zeit" vom 1. Februar 2006, Yasemin
Karakasoglu und Mark Terkessidis, vom Leder, der - unterzeichnet
von 60 Migrationsforschern - unter dem Titel "Gerechtigkeit
für Muslime" stand. Die Denkschrift hält der Publikation
"Die fremde Braut" von Necla Kelek generalisierendes Gehabe
vor, was Schwarzer zum Gegenstoß anregt. Dabei nimmt sie von
jedweder inhaltlichen Kritik Abstand und nähert sich der Logik
der Denunziation, um die "Islamisten-Freunde" ans Kreuz
schlagen: "Yasemin Karakasoglu und Mark Terkessidis. Die eine
ist Erziehungswissenschaftlerin an der Uni Bremen und der andere
ist freier Autor in Köln. Beide haben interessanter Weise binationale
Eltern, sie einen türkischen Vater, er einen griechischen.
Sie kommt aus der militanten Pro-Kopftuchszene, deren hervorragende
Stimme sie ist; er kommt aus der radikalen Linken."
Die Patrona der Dragoner-Patrouille bewölkt den
zentralen Horizont der geschlechtlichen Knechtschaft, deren Wurzeln
wesentlich in der imperialistischen Inbesitznahme des Orients liegen.
Ohne die willfährige Kollaboration der dortigen Stammessysteme
haben die imperialen Invasionen keine Stütze, die sich wiederum
den feudalen Überresten den Fortbestand. Folglich sympathisieren
die Freiwilligen-Formationen des Europiden-Forts nicht mit den Protagonisten
der gesellschaftlichen Emanzipation, den national-revolutionären
Kräften, in der Peripherie, sondern lassen sich dem metropolitan
hegemonialen Augenmerk missionarischen Maschenwerks unterordnen.
Auch hier. Sie schwärzen jegliche Parteinahme für die
Autonomie-Tendenzen innerhalb der eingewanderten Quartiere und tun
sie als spartanische Schwärmerei, separatistisch strukturiertes
Lehrgebäude ab oder gar als Kanaken-Krakeel und versuchen gleichzeitig,
unterwürfig integrative Initiativen anzuhimmeln.
Als gegenstandslos gelten Endprodukte jener bürokratisch
partizipierten Publizisten, die nicht über den Marktwert verfügen,
dem kulturell konzipierten Neorassismus Argumente sowie instinktive
Munitionen zuzuspielen. Gesprungen mit Hang zum Dramatisieren auf
den Zug der Loyalitätsliteratur kommen immer mehr Autorinnen
von emphatischen Pamphleten zum Vorschein. Honoriert werden sie
nicht wegen ihres emanzipatorischen Gewichts für eine libertäre
Bürgerrepublik, sondern wegen der Verwertbarkeit ihrer Textmaterials,
die Angeprangerten an den Pranger zu stellen.
Das ethnozentrische Augenmerk der Intelligentsia wendet
sich dem schwachen Geschlecht in den Türken-Gettos zu. In den
Regalen der Bücherstuben türmt sich der Stapel der Biografie-Produkte
immer höher, die den Leidensweg der anatolischen Mütter
und Töchter in den trübsten Tönen nachzeichnen. Aber
es gibt auch eine Fraktion der Gegenkraft, auf die Daniel Bax in
"die tageszeitung" vom 16. März 2006 unter der Titelzeile
"Die heimliche Revolution" anspielt, wobei es sich um
den Opus "Typisch Türkisch?" der Journalistin Hilal
Sezgin dreht, in dem sie junge Türkinnen ihrer Generation porträtiert:
Autorinnen wie Asli Sevindim ("Candlelight Döner"),
Hatice Akyün ("Einmal Hans mit scharfer Soße")
oder Dilek Güngör ("Unter uns") erfreuen ihre
Leserschaft mit 1.001 humorigen Anekdoten über die Liebhaberqualitäten
von deutschen und türkischen Männern im Kulturvergleich,
die Integrationsprobleme deutscher Schwiegersöhne in eine anatolische
Sippe sowie den kulinarischen Kampf der Kulturen am Küchentisch.
Sie klären die Deutschen darüber auf, was diese schon
immer über Beinenthaarung und andere Epiliertechniken wissen
sollten, aber nicht zu fragen wagten. Vom Feuilleton werden sie
zwar weitgehend ignoriert. Aber weil sie ihren Migrationshintergrund
als reine Lifestyledifferenz zelebrieren, empfehlen sie sich als
emanzipierte Identifikationsfiguren für Gleichgesinnte.
Fulminant auf der Suche nach Supergermanen
Es kriselt allerwärts. Die Fragelust der Regentschaft
reift heran im fragilen Menschenpark zwischen Standpauke und Staatssatire.
Zum Beispiel der Hessen-Test zum Kreuzverhör der Staatsbürgerschafts-Aspiranten,
durch den sich der laut verbürgte rechtmäßige Anspruch
auf Autochthonen-Status erneut als Farce entpuppt.
Auf hundert Fragen haben die allochthonen Einwohner
zu antworten, sie enthalten alle Episoden der deutschen Geschichte
und Gegenwart. Irgend etwas nicht parat, gehen die Examinanden leer
aus. Wird er auf den Bereich der bereits den staatlichen Status
besitzenden Normalbürger erweitert, droht selbst der Bundeskanzlerin,
ausgebürgert zu werden - vielleicht muß sie dann ihre
Karriere als Ziegenmelkerin auf den Alpenpässen fortsetzen.
Und die laut gefeierte Freiheitskämpferin der "fremden
Bräute" und Hintermännin des leidlichen "Gesprächsleitfadens"
in Baden-Württemberg, Necla Kelek? Auch sie läuft Gefahr,
wieder in das peripheres Parkett der orientalischen Patriarchen
evakuiert zu werden.
Vielleicht schwante ihr ein solches Schicksal, und
sie erstellte daher die Streitschrift "Die verlorenen Söhne",
die sie Mitte März 2006 auf den publizistischen Markt brachte.
Darin plädiert sie für die "Befreiung des deutsch-türkischen
Mannes" und womöglich für einen Gesetzerlaß,
der die Muselmanen-Jünglinge festnagelt, gegen ihre in "archaischen
Stammestraditionen" festgefahrenen Väter zu revoltieren.
Die Rezitatoren der grauen Neugermanen müssen
auf das Handlanger-Hallo nicht mehr warten. Als medial geadelte
Patrona bestätigt Kelek lautstark und am laufenden Band, was
sie schon immer über die ungebändigten Untertanen orientalischer
Despotismen im Oberstübchen zu denken pflegte.
Gerühmt wird sie vornehmlich als eine der Vorreiterinnen
eines kulturellen Dammbruchs in "Spiegel Online" vom 16.
März 2006 von Henryk M. Broder, dem Impresario der Berufsjuden,
der sein Augenmerk letztens dem schwer assimilierbaren Bereich der
Almancis widmet. Für ihn dreht es sich da um mehr als um "die
verlorenen Söhne", nämlich "muslimische Frauen",
die "derzeit die heftigsten Debatten auslösen, weil sie
einen klaren Blick für die Situation und keine Angst haben,
ausgegrenzt zu werden, da sie es schon sind. Frauen wie die Niederländerin
Ayaan Hirsi Ali, die Kanadierin Irshad Manji, die Amerikanerin Wafa
Sultan und die Deutsche Necla Kelek, eine Hand voll Dissidentinnen
und Ketzerinnen, die sich nicht nur gegen ihre Familien behaupten
mussten, sondern auch gegen eine große Koalition aus Ignoranten
und Gutmenschen, die den Diskurs bestimmen wollen. Freilich: Jeder
soziale und kulturelle Dammbruch fängt mit winzigen Haarrissen
an. Es geht nicht anders."
Necla Kelek scheint familiäres Asyl im Autoritäten-Aufenthalt
des obrigkeitlich volksstaatlichen Konstrukts gefunden zu haben,
nachdem sie vorgeblich von ihrer Familie verstoßen wurde.
Sie glaubt hierbei Heldenmut zeigen zu müssen im intellektuellen
Hilfsdienst für die Philanthropen auf den Machtsesseln. Kontrafaktisch
bleiben ihre Parabeln nun erst recht - orientiert an den Bedarf
des majoritären Manierens mit germanophilen Codes aufklärerischer
Provenienz. Hauptsache, die Heimleuchte sitzt, und sie feiert fröhliche
Urständ - angelehnt an den Wachtturm der Journaillen-Junta.
Gewöhnlich filtern die Musketiere der medialen
Meute für die Mehrheit beliebte Informationen. Sie funktionieren
als Motoren und Multiplikatoren des Mechanismus, der soziale Lebenswelten
ethnisch definierten und den Ethnizismus notfalls erdichten. Sie
jagen nach Themen, die sich eignen, beim breiten Publikum hohe Wellen
zu schlagen. Sie zementieren die im Inneren der Autochthonen ausgebildete
Hierarchien gemäß der Zugehörigkeitskonstellation
völkischer Formation. Allochthone Einwohner, die den künftigen
Loyalitätsnachweis nicht erbringen können, werden zu potentiellen
Proleten erklärt in Gefahrenzonen unter dem Label Gettos -
dem Spott des Abgeschotteten sowie dem Angriff der ethnisch anständig
Angepaßten anheimgestellt.
Der Text des hessischen Loyalitätskontroll-Testes
für mögliche voraussichtliche Inhaber eines Ausweises
mit dem Adler-Deckel als amtlich ambitioniertes Emblem bewegt sich
zwischen strapaziöser Sanktion und skandalöser Satire,
kann auch als lausekalter Kalauer am Fachgesprächskamin an
Fahrt gewinnen. Für die Spaßsöldner und Leitkultur-Legionen
der "Vierten Gewalt" stellt er jedenfalls ein spezielles
Spektakel dar. Sie jagen einer eingängigen Leidenschaft nach,
nämlich die metropolitan heimatliche Erwerbsgesellschaft des
Welt-Kapitalismus vor der heimlichen Invasionsgefahr durch orientale
Spezies in Gewahr zu nehmen. Ob in verteilten Rollen oder Personalunion,
die Advokaten der imperialen Inspirationen und die Inspektoren der
integrationalen Intention schließen sich an jenem stets startklaren
Statement für die Spätankömmlinge, welches das gleiche
Gewicht auf die Waage bringen soll wie das Schaumschlagwort der
Chancengleichheit.
Die 100 Gebote im Treue-Kontroll-Katalog enthalten
ziemlich zweideutige Fragen, die selbst der Literaturpapst Marcel
Reich-Ranicki nicht mühelos bestehen könnte. Sicher sei
er sich jedenfalls nicht. Offen ethnophobe Aversionen wohnen ihnen
nicht bei, und sie sind jedenfalls pfiffiger formuliert als ihr
baden-württembergisches Pendant "Gesprächsleitfaden",
der nicht den Wissensstand der Prüflinge, sondern ihr sittsames
Gewissen auf die Probe, somit alle unter den Generalverdacht des
"islamistischen Totalitarismus" bzw. "Terrorismus"
stellt.
Nichtsdestotrotz bleibt das hessische Katalogwerk
ein spitzfindiger, kulturalistisch befangener und kränkender
Wertetest des germanophilen Volksstaates.
Der demographisch dominierte philanthropische Rassismus
Das starke Geschlecht orientalischen Schlags scheint
längst den konventionellen Wert für die spätkapitalistische
Erwerbsgesellschaft verloren zu haben, seit die Werkhallen, die
auf Fronarbeit der rüstigen Fremdenlegionen angewiesen sind,
ihre Toren schlossen. Der anatolische Hinterwäldler, der sich
in das alternierte Rentier-Regime der Altennation nicht wohlfeil
adaptieren läßt, gilt nur noch als Störfaktor im
Reservoir der Überflüssigen. Hingegen benötigt die
ramponierte Rentnerrepublik fragile fertile Evas.
Als hellhörige Angehörigen der systemkonform
freiheitlichen Fraternitätsfront werden diejenigen Heldinnen
wertachtet, denen es gelang, in ihren Biographien die feudalen Überrest
aus dem Weg zu räumen. Doch ihre provisorische Rolle für
die gesellschaftliche Emanzipation bleibt auf der Bühne des
Marionettentheaters. Und das begünstigt die gebieterischen
Stabsakteure des Hegemons, ihre kreuzzugsmentalen Gebote im Hinblick
auf kolonisatorische Expansion in den Kardinalpunkt zu rücken.
In den retrospektiv repressiven Verhältnissen
innerhalb der familiären Verbünde sehen sie einzig fremdverschuldete
Antriebe und keine sozio-ökonomischen Zwänge. Zu klagen
haben unter kulturalistisch kumulierten Maßgaben die Frauen
migrantischen Hintergrunds vor allem als Reservoir des Frondienstes
- ob in Putzkolonnen, Dönerbuden oder Bordellen. Sie sind in
ihrem Daseinskampf entfremdet und untermenschelt zugleich.
Wenn das Lehrgebäude der Rassen auf biologisch
äußere Differenzen hindeutet, dann haust es auf naivem
Niveau. Es gibt schließlich unterschiedliche Hautfarben: Bleiche,
Schwarze, Brünette... Daraus entsteht das rassistische Weltbild
erst, wenn diese diffuse Wesensarten verdreht und ihnen soziale
Attribute zugeschrieben werden.
Das Grundelement des Rassismus ist sozial und gründet
sich hierarchisch auf Besitzstände. Wer sich den Reichtum bereits
bemächtigt hat, verfügt über Definitionsgewalt, die
enteigneten Kollektive als Rassen minderwertigen Reservoirs einzustufen.
An Fahrt gewinnt der Rassismus im Groß-D-Land
in erster Linie wegen des notwendiges Übels, dem unaufhaltsamen
Populationsschwund mit den Mitteln des Untertanenimports entgegenzuwirken.
Allein der alarmierende Kerngedanke vom Aussterben der Nation ist
so abartig, daß sie die human-sozialen Systeme den biologischen
Symptomen subsumiert. Demnach tritt das Volkstum als ein unveränderliches
Naturell auf den Plan und erträgt keine fremden Elemente. Solange
aber die demographische Talfahrt anhält, kann man Fremde als
Ersatzbürger importieren, vorausgesetzt, daß sie sich
restlos naturalisieren, zuvor aber rastlos assimilieren bzw. germanisieren
lassen. Auf diesem fixen Fundament türmt sich die gegenwärtige
Intention der Integration, für die sich eine feste Fraktion
im vaterländischen Feuilleton erwärmten.
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