XXV. Jahrgang, Heft 142
Okt - Nov - Dez 2006/4

 
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Letzte Änderung:
03.06.2006

 
 

 

 
 

 

 

Necati Mert´s Kolumne

Im Jeremiaden-Jackett die Falottkratie:
Der staatlich garantierte Gaunerstreich

   
 
 

Den Technokraten des Moneten-Managements und Besitzgötzen brennt auf den Nägeln, das telekommunkative Weltalter in eine Art Korsaren-Kasino zu verwandeln, wo die Hasardeure so handeln wie einst die Gladiatoren in der Arena. Die mammonsüchtig mystifizierten Marktstreitkräfte intervenieren in allen Ecken und Enden der individuellen Sphäre.

Der virtuelle Warentausch floriert: Sortiments des weiblichen Fleisches aus dem Cyber-Bordell überfluten die Bildschirme. Angeheuert werden die Pleitiers der NewEconomy in der Not, als Knechte eines Abzocker-Trubels durch Telefon-Terror und Mail-Tortur zu dienen. Emsig am Werk sind die Hausierer der Ich-AG-Angaria mit dem Hörer auf der Jagd nach Kundenstamm für Tantiemen-Trusts. Besonderes Geschick müssen aber jene Klinkenputzer ausklügeln, die ihrem Broterwerb mit Verkauf von Lotterie-Losen nachgehen. Darüber gibt es eine Menge amüsanter epischer Anekdoten. Hier ist ein nicht gering delikater Dialog, der tatsächlich stattfand, in Deutsch-Türkisch:

Der Fernsprechapparat klingelt. Eine frohgemut manieriert Stimme am anderen Ende des Kabels:

– Merhaba! Sie gehören zum glücklichen Hundert, haben das Los der Lotterie...

– Der Lotterei? Das ist mir bekannt...

– Nein, der Klassenlotterie... Sie haben einen Treffer... Das müssen sie sich zukommen lassen. Ihren Namen haben wir...

– Aus dem Telefonbuch?..

– Ihre Anschrift auch... Nur für den Gewinn müssen Sie noch etwas traben...

– Wollen Sie meine Konto-Nummer haben?..

– Erst wenn Sie von uns mindestens zehn Lotteriescheine bestellt haben. Bei fünfzig...

– Ist der Schwindel noch kompletter?..

– Doch nicht! Garant ist der deutsche Staat...

– Wahr?...

– Na, klar!

– Dann hat der Gaunerstreich die richtige Adresse.

– Vorsicht! Das Gespräch wird aufgenommen, Sie machen sich strafbar...

– Dann grüßen Sie mir diesen - deutschen oder nicht-deutschen - Ständestaat, der nur noch im Sinne hat, seine Argusaugen auf die letzten Brocken der Armen zu richten. An den Pranger der prangenden Proleten wird er aber gestellt - heute von den Montagsmarschierenden bald von den Morgenrebellen...

Hier geht das Gespräch zu Bruch, damit der Blütentraum eines germano-türko akklimatisierten Glücksjägers, der trotz - vielleicht wegen - seiner Tücken und Eselsbrücken nicht einmal fertig bringen konnte, einen dem Namen nach typischen Türken zu türken.

M. Kurtulus


   

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