XXV. Jahrgang, Heft 142
Okt - Nov - Dez 2006/4

 
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Letzte Änderung:
03.06.2006

 
 

 

 
 

 

 

Necati Mert´s Kolumne

Media-Meute auf der Jagd nach Beute-Buttons und Heiland


   
 
 


Der Frühling 2005 begann mit dem mass-medialen Mega-Event für das klerikale Management des Menschengeschlechts. Vonstatten ging der Hokuspokus gelungen in Form der Trauerfeier für den Summus Episcopus, eines epochalen Popstars des Christianismus in den Strudeln des Krisenkosmos.

Der Herold erscheint vor einem mehr wankel- als reumütigen Publikum und deutet:

Die Media-Armada unterwegs vom Realen zum Digitalen hielt das Erdenrund wochenlang auf dem Laufenden. Schaum schlug die Journaille-Junta in der Koalition der willfährigen Helfershelfer des humanitären Interventionsimperialismus als tele-visionärer Kompaß der Menschenrechtsmetiers.

Millionen Jungscharen beherrschten während der feilgebotenen Bilderflut mit Tränenfluß auf der Pilgerfahrt das Feld. Der populistische Patriarch des Vatikans, der Pontifex maximus aus Polen, wurde als ewige Adresse der Freiheitsfontäne deklariert mit der Botschaft, daß sich das Mega-Elend mit dem Kapitalismus zu vertragen hat. Andere abrahamitische Häuser haben sich dem unterzuordnen.

Hirt zur Herde: Ein gerechtes Leben könnte es nur geben, sprach Benedikt XVI. am Pfingst-Sonntag 2005, wenn es von Gott käme. Der Kurienkardinal Ratzinger droht exemplarisch, falls sich die Erde anders drehen sollte.

Hinter dem knüppelharten Wall der klerikalen Bürokratie verschanzt sich die polyglotte Grotte der Patronage-Ideologie. Die Beispiele für solche Urteile, die postmoderniesierte Sklaverei zu geloben, sind Legion.

Noch hat die mediale Meute-Zunft den Himmelsthron nicht vollständig erobert. Sie schöpft aus dem Mammonsumpf Zuchtvorschriften, die auf dem Monologen-Monopol der Zitadellen-Zirkulare fundieren – im Futurum exectum und mit dem Ziel, den Muselmanen-Morast Mores zu lehren. Der Sozius der Journaillen-Loge erstellt keinen Bericht von einem konkreten Vorkommnis, sondern kommentiert es, wird von den bereits vorformulierten Vorurteilen kommandiert. Aus einem polizeilich registrierten Fall zieht er den verallgemeinerten Schluß.

Die Viren der Vorurteile verbreiten sich nicht automatisch, sie werden verbreitet. In ihrem Urquell fruchtet nicht mehr das Gespenst des Kommunismus, sondern das des islamischen Terrorismus.

Solange das Projekt Abendland prosperiert und seine Protagonisten sich im Gewande des Proteus-Posten prostituieren können, wird jeder Protest in Positur der Femme fatale aufgehen.

Hermetisch sind die Bilder, herkulisch ihre Illustratoren. Die mediale Gilde nebst ihrer Intelligenzbestien verwandelte sich seit Beginn des dritten abendländisch terminierten Millenniums in einen Tempel monetarisierter Mythen-Mullahs, in ein Amphitheater theozentrischer Maskeraden.

Wetterfühlig läßt sich die globale Intelligentsia treiben, sie streut Asche aufs Haupt und artikuliert das Ende der Geschichte: Es gibt keine Ideen, aus denen Botschaften werden könnten.

Große Töne spucken die Gelehrten der Galeeren-Garnison über gesittete Get-together-Party des monetären Gottvertrauens, porträtieren mit Bravour eine Modus-vivendi-Gesellschaft sozialer Hierarchien hinter den Mauern und Grenzen von Schichten und Kasten, betonieren die Barragen vor der kommunikativen Serpentine für weitsichtige Perspektiven.

Man redet, forscht und berichtet zur Genüge über die Benachteiligten, ohne sie zu beteiligen.

Der angehimmelte Investigativ-Journalismus ruft eine Hommage an den Tarzan im Dschungel ins Gedächtnis, der im Fokus der Öffentlichkeit steht, solange er das Wortgeplänkel der Maskerade verkörpert.

In den Feuilletons paradieren Fiaskos, im Glotzophon die schwarzen Nachrichten. Währenddessen erkläre die Propheten und Feldhüter des freien Spiels der Marktkräfte, Moneten-Molochs und mondiale Moneygarchien, das Problem der Emanzipation per Federstrich für gelöst.

Aus dem Frühjahr 2005 erwuchs kein froher Frühsommer. Graue Wolkenfetzen setzen sich zusammen an einer Nebelwand vorm Horizont. Dann bracht die Hitzewelle aus. Was stattfand, stand nicht mehr im Zusammenhang mit dem Fortschritt auf dem geschichtlichen Weg zum Glück für alle – nicht einmal als Schnecke. Trotz der Eine-Welt-Front gegen den Sozialismus.

   

Netzbrücke:

• Necati Merts Kolumne

• Mehr lesenswertes Textmaterial

• Wider den Schwarzen Winter

• Porträt des Periodikums