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Die Sirene des weiß-blauen
Mythos befindet sich vor der monströsen Brandung, die sie ausgelöst
hat. Die kultur-kreischende Heuchelei produziert sich auf den Bühnenbildern
der spätchristlichen Moralapostel - auf der Plattform der Übersattenpflicht,
deren Erfüllungsgewalt allein aus dem Schutz des Überflusses
vor dem Aufbäumen der Überflüssigen besteht. An ihrem
Elend erfrischt sich die allmächtige Gedankenwelt mit erbärmlichem
Mitleid.
Das Moralkonto der Gutmenschenmanager wird immer schwerer
wie die Ohnmacht der Übermächtigen gegenüber dem
Höllenhund, den sie gefüttert haben. Daher hört die
Fixierung auf zeitlosen Wohlklang der Gegenwart auf, damit der Spaß
mit dem Notstand. Also lebt die Geschichte fort unter dem schuldbeladenen
Druck. ”Schluß mit lustig” übertönt
jeden weiteren Lärm in den Feuilletons des diskursiven Ausnahmezustands,
wo das Recycling der aufklärerischen Rassismen vorgeführt
wird. Die Potentaten im Pentagon verkünden das Ende der Postmoderne
eigenhändig und überwuchern den humanen Horizont mit weidmännischem
Wortbestand.
Der Opportunismus okkupiert die letzten Rauminseln
der kritisch verständigen Autonomie. Die vom Pentagon verhängte
Zensur machte ihn längst zum tugendsamen Versandhaus des Wissens.
Mit der Vokabel ”Terrorismus” erfrischt er die Agoraphobie
täglich neu. Dessen Netzwerksystem wird nicht erkundet, sondern
gemäß dem Zielbahnhof der Exekutionskampagne imitiert.
Wer nicht ins Werteraster der weißen Zivilisationszirkel paßt,
gehört zum Sympathisantenkreis des Horrorhorts. Das Verdikt,
dem Gespenst einen ethnischen Hintergrund zu stricken, sprechen
die honorigen Demokraten der Besitzkaste einstimmig. Und der monströse
Anonym behält das Kennzeichen des Orientalen bei, und zwar
auf der Proleten-Terasse der Weltkastenpyramide.
Wo der Spannbogen der internationalen Terror-Brigaden
endet, bleibt hinter den Nebelkerzen der Aufklärungsorgane
verborgen. Aber nicht völlig können sie vernebeln, daß
die Spuren der Missetäter in jene Stabzentren führen,
welche die heißen Fäden des Kalten Krieges gegen den
Osten und den ihm unterschobenen Kommunismus gespannt haben. So
zeigt ein Bild, das gegen Mitte Oktober im Wiener Tagesblatt ”Standards”
erschien, den Initiativ-Investoren der entstaatlichten Gewalttätigkeit
bin Laden mit dem Ex- Boschniaken-Emir Izzetbegovic. Daß hinter
diesem Mann auch dicht das Auswärtige Amt stand und er als
dem wieder erwachten Pangermanismus als Emissär diente, durfte
hinlänglich bekannt sein.
Ohne die moralheizende Leistung der aufklärerischen
Wortkunstwerker fehlt der Kriegskampagne mindestens ein Standbein.
Jedes Schamempfinden gilt für sie als primitive Handlung, wenn
es um den Mythos ”Abendland” geht. Jede Antinomie zwischen
ihrem universalistischen Dogma und dem rassistischen bzw. kulturalistischen
Dominanzanspruch können sie per Denunziation der Ethnofremden
als Hominiden-Horden abrunden. Ihre zeitweilige Opposition gegen
die Opferung der Freiheit zugunsten der Sicherheit entpuppt sich
als so scheinheilig, daß sie sich bereitwillig als Vollstrecker
der vom Pentagon verhängten Zensur instrumentalisieren lassen.
Mit deren Hilfsmitteln ziehen sie den Rauchvorhang der ”Political
Correctness” auf, hinter dem die Leitwerker des ökonomischen
Terrors den Fehdehandschuh aufnehmen und die Zementierung der globalen
Apartheidpyramide mit militärischer Gewalt fortsetzen.
In der Wort- und Bilderflut der Aufklärungsprediger
soll jede Erkenntnis über die mordbereiten Haßtiraden
untergehen, die gerade dort blühen und gedeihen, wo die Monster
der Marktkräfte vagabundieren und die Leitschnur der Besitzvermehrung
keinen Endpunkt erreicht. In ”Freitag” vom 12. Oktober
2001 schildert Leander Scholz den Beginn eines weiteren Zeitalters
”mit moralischem Rigorismus gegen die Postmoderne” am
eingetretenen Ende vom ”Ende der Geschichte”:
Endlich hat das 21. Jahrhundert sein Ereignis. Es
wollte aber auch gar nicht richtig beginnen. Alle katastrophische
Lust zum Jahrhundertwechsel sah sich für länger ersatzlos
getäuscht. Nichts geschah, kein größter digitaler
Unfall. Fast zehn Jahre nach dem Ende der Geschichte sah es so aus,
als würde es immer so weitergehen. Als würde der Spaß
und der Ernst so unversöhnlich neben einander her existieren,
dass die Antinomien der Weltgeschichte im Ungefähren verschwinden.
Denn das Beruhigende an jenem Ende war nicht, dass nach der Ordnung
der Weltmachtblöcke das Reich der Freiheit angebrochen war.
Das glaubte doch eigentlich niemand. Das Beruhigende war, dass es
im Nachhinein so schien, als hätte es bis dahin eine Geschichte
und mit ihr auch eine Vernunft in dieser gegeben. Jetzt erscheint
auf einmal die Sicherheitspolitik der atomaren Abschreckung als
eine ganz ordentliche Angelegenheit, die einem im Verhältnis
zu den Irrationalismen der mit dem 11. September verbundenen Konflikte
fast wünschenswert überschaubar vorkam. Die These vom
Ende der Geschichte war also nicht deshalb falsch, weil die Geschichte
sich nun mit einem neuen Ereignis wieder zurückgemeldet hat,
sondern weil sie nahe legte, dass es zumindest bis dahin eine Geschichte
im singulären Sinne gab. ...
Manchmal hat man den Eindruck, dass der Spaß
in der mitteleuropäischen Spaßgesellschaft der neunziger
Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts, der nicht nur die Unterhaltungsprogramme
sondern auch viele seriöse Meinungs- und Kulturproduzenten
durchdrungen hat, gar kein Humor war, der etwa den schuldbetriebenen
Druck der Geschichte verarbeitet hätte, sondern eine grundsätzliche
Abspaltung von historischen Korrespondenzen zugunsten einer Fixierung
auf die Gegenwart, die auf Dauer in frustrierte Langeweile umzuschlagen
drohte. ...
Noch nie gab es so viele klare Worte wie in den zwei
Wochen des politischen und diskursiven Ausnahmezustands nach den
Terroranschlägen vom 11. September. Noch nie wurde dem Herrschaftswissen
des Pentagons und einer ganzen politischen Klasse soviel zugetraut.
Noch nie war es so wichtig, über deren Handlungsfähigkeit
eine eindeutige Meinung zu haben. Seit langem nicht mehr konnte
man so ordentlich Position beziehen. Ob es für die einen die
Gelegenheit war, die endgültige Bündnisfähigkeit
Deutschlands unter Beweis zu stellen oder für die anderen ihre
linkstraditionelle Amerikakritik hervorzukramen, um letztlich den
schlichten Satz sagen zu können, man habe es immer schon gewusst,
dass es mit dem Patienten ein schlechtes Ende nehmen würde.
Nur in einem waren sich alle Meinungsproduzenten sicher: mit dem
"anything goes" der Postmoderne ist es jetzt endgültig
vorbei. Als könne Solidarität ihren Ort nicht jenseits
eines Für oder Wider die USA haben. Das komplette Vergessen,
dass der politische Einsatz des postmodernen Wissens in einem Bemühen
bestand, einer zunehmend komplexeren Welt auch ein komplexeres Denken
anheim zu geben, vielleicht sogar zu lernen von künstlerischen
Weltwahrnehmungen, hat den Raum für die Rhetorik eines moralischen
und handlungsermächtigenden Rigorismus geöffnet, der sich
selbst zwar als neu beschreibt, aber oft nur das getarnte Recycling
von alten Positionen vorführt, die in postideologischen Zeiten
keine Chance mehr hatten. Im Nachhinein wird man viele Probleme
dem Terroranschlag zurechnen, die schon lange vor diesem Ereignis
da waren, und sie infolgedessen an der falschen Stelle bekämpfen.
Man wird dieses Ereignis ganz linear erzählen. Es wird dazu
dienen, dass man später wieder eine Geschichte und eine Vernunft
behaupten kann, zumindest rückblickend, die dann wie der vermeintliche
Erfolg der atomaren Abschreckung in die nächste unsichere Zukunft
hochgerechnet werden können. Und wieder wird man darauf pochen
müssen, dass bei einer solchen Geschichte ein großer
Teil der Menschen auf der Welt nicht narrationsfähig sein wird.
Erst spät wird man dann feststellen, dass die fixierte Bekämpfung
des Fundamentalismus meist zu einer Fundamentalisierung der Bekämpfenden
führt. Vor fünfzehn Jahren noch dachte ich, mit spätestens
dreißig Jahren in einer atomaren, biologischen oder ökologischen
Katastrophe zu sterben. In den neunziger Jahren kam mir das kindisch
vor, und ich glaubte, erwachsen geworden zu sein, so wie die westliche
Welt sich an die ständigen Katastrophen des letzten Jahrzehnts
gewöhnt hat. Jetzt, da alle an einem grausamen Ereignis erwachsen
werden, ist es vielleicht angebracht, den phantasielosen Ernst dieses
Erwachsenseins wieder in Frage zu stellen.
Das Geratter im Wettlauf schlägt mächtige
Kapriolen. Die Aufklärungsveteranen melden sich aus dem Ruhestand
zurück. In ihrem Kummer, nicht auf der richten Kirmes zu sein,
verläßt die postmoderne Intelligentsia ihren liederlichen
Kometen und sucht den schnellebigen Anschluß zum Kreuzritterheer
vor den Mauern der Börsentempel. Aus dem Schlagwortarsenal
im Weißen Haus werden sie ihre Reklameslogans entnehmen, um
ihr zivilisatorisches Korrektiv weiter entwickeln zu können.
Alles ist plötzlich anderes, aber kein einziger Vers im Theoriegeflecht
für das Zirkusrund der Marktkräfte darf angetastet werden.
Allein auf deren weiß-blauer Achse darf sich das Karussell
der emanzipatorischen Evolution und der zum letzten Sturm aufbäumenden
Zivilgesellschaft fort drehen. Sie trägt die Uniform der Tarnfarbe
Oliv. Also rüstet sich das letzte Imperium gegen seine Barbaren
auf. Wird es ihm gelingen, sie, die aus ihren peripheren Slums aufbrechen
und sich in die Zentren bewegen, zu Galeerenhäftlingen seiner
Hochkultur zu machen, ohne die Geschichte zu notzüchtigen und
den eigenen Bretterboden zugrunde zu richten?
Das Verdikt des Weißen Haus-Oberhaupts: Ermittlungsverfahren
beim Einsatz der Luftschlag-Armada mit Cruise Missiles und Streubomben
Nicht vor der Landung der Aliens schlug die geldene
Freiheit Alarm, sondern vor der Invasion der Armen. Darauf will
die Demokratie der hohen Wertewarte vorbereitet sein, indem sie
den Schalthebel der fraktionellen Schellen betätigt. Einstimmig
sind sie, widerspruchslos. Einfarbig im Herzen: Weiß. Man
liest so in der Zeitung: Der Staatssekretär grüner Hülle
im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, habe die Friedensdelegierten
an der Pforte abwimmeln lassen, während sein Boss als Parlamentär
des militärindustriellen Nordatlantikbündnises in den
Hauptstädten des Mittleren Orients gastierte – auf der
Suche nach Weisen-Vasallen. Der Verdacht, daß ein westlicher
Geheimdienst hinter der ”privatisierten” Gewalt-Attacke
stecken könnte, wurde vom Gewimmer-Gewitter ausgeräumt.
August Pradetto, Professor an der Bundeswehrhochschule in Hamburg,
äußerte am 17. September 2001 in einem NTV-Interview
seine Zweifel an der Täterschaft Bin Ladens, denn dieser sei
"ein seit Jahren Gejagter" und hätte aufgrund dieses
Drucks keine Möglichkeit gehabt zur logistischen Planung eines
solch kaltblütigen Anschlags. Statt dessen vermutet er dahinter
einen professionellen staatlichen Geheimdienst. In ”Kalaschnikow
Online” vom 15. Oktober 2001 wagt Emmanuel Goldstein einen
”Katalog offener Fragen” aufzustellen, welche unter
moralischem Druck weggedrängt werden oder verschwimmen:
• Warum wurden die Geheimdienstchefs nicht abgesetzt,
nachdem sie doch ihre totale Unfähigkeit unter Beweis gestellt
haben? Oder haben sie ihre Arbeit etwa doch gut gemacht?
• Warum wurden die Protokolle der Kommunikation
zwischen den entführten Maschinen und den Towern bisher nicht
veröffentlicht?
• Wie konnten die Terroristen während des
Fluges die Transponder deaktivieren? Wieso konnten die Flugsicherungseinrichtungen
die Flugzeuge daraufhin nicht mehr orten? Radar funktioniert doch
trotzdem noch? Wurden die Fluglotsen und das Personal der Flugsicherungseinrichtungen
im nachhinein dazu interviewt? Warum wurden die Radarprotokolle
bzw. die Verhöre mit den Fluglotsen bisher nicht veröffentlicht?
• Wieso konnten vier Terroristenteams mit insgesamt
neunzehn Terroristen unbehelligt durch die Kontrollen gelangen?
... ”Und das in einem Land, das nach den Erfahrungen der letzten
Jahre besonders sensibilisiert war gegenüber den Gefahren durch
Terrorattacken!" (Klaus Kinkel, ehemals BND-Chef, in der ARD-Talksendung
Sabine Christiansens am 23. September 2001) ...
• Warum führten bisher keine der verdächtigen
Geldgeschäfte im Zusammenhang mit den Anschlägen zu den
Hintermännern der Attentäter? Will man die Konten gar
nicht finden?
• Warum haben die Attentäter so offensichtliche
Spuren hinterlassen (Mietauto, nicht abgeholter Koffer) mit verdächtigen
Papieren, die sie gar nicht mehr gebraucht haben für die Tatausführung,
weil sie deren Inhalte längst im Kopf hatten, die aber bei
jeder Kontrolle für sie hätten gefährlich werden
können? Ein so perfekter Anschlag und dann so dilettantische
Fehler?
• Warum gibt es bisher kein klares Bekennerschreiben
zu den Anschlägen? ...
• Warum wurden die angeblichen Beweise für
die Täterschaft Bin Ladens nur den Regierungschefs der NATO-Länder
vorgelegt und nicht dem internationalen Gerichtshof in Den Haag
oder der Öffentlichkeit? Reichen die Beweise etwa nicht, um
Bin Laden als Massenmörder anzuklagen? Bei Milosevic haben
die Beweise doch gereicht? Warum nicht bei Bin Laden?
• Die Anschläge geschahen live, d.h. ein
Millionenpublikum konnte das Leiden der Opfer und die Fortentwicklung
der Katastrophe live am Fernsehschirm verfolgen. Nun gibt es eine
Reihe von Anschlägen mit ANTHRAX-Briefen auf Medieneinrichtungen,
so daß eine breite Medienwirkung gesichert erscheint. Wer
will hier Verunsicherung und Panik verbreiten? Von wem werden derartige
Methoden der psychologischen Kriegführung typischerweise angewendet?
Fragen hinter dem Trauerflor, die noch lange nicht
in den öffentlichen Blick rücken werden, auch wenn sie
durch die Medienglocke der blutverschmierten Flutwelle von Beistandsstatements
dringen. Denn es geht nicht um die Solidarität mit der gedemütigten
Allmacht allein, sondern um die Herstellung eines dröhnenden
Bühnenbildes, das die Pyromanen-Attacke auf die ”Zivilisation”
darstellt. Ein Fazit bezüglich dieser Legende voller Pathos
zieht die Redaktion der ”Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung”
in einer Stellungnahme:
Eine Zivilisation, die den 1. Weltkrieg hervorgebracht
hat, der als der ”Krieg der weißen Männer”
christlich-abendländischer Herkunft für Kaiser, Gott und
Vaterland geführt wurde! Eine Zivilisation, die den deutschen
Faschismus hervorgebracht hat, der von den Spitzen des Staates,
der Industrie und der Hochfinanz - allesamt lautere Vertreter des
christlichen Abendlandes - an die Macht gebracht wurde. Eine Zivilisation,
die die Verfolgung von und den Mord an Kommunisten, Sozialdemokraten,
Gewerkschaftern, also den Vertretern der Arbeiterklasse und damit
der Zukunft und des sozialen Fortschritts, zur Grundlage ihres gesellschaftlichen
Konsens gemacht hat. Eine Zivilisation, die Auschwitz ermöglicht
hat, die industrielle Vernichtung von Millionen Männern, Frauen
und Kindern, die man als Juden, Sinti und Roma, als "Untermenschen"
schlechthin gebrandmarkt hatte. Eine Zivilisation, die den 2. Weltkrieg
hervorgebracht hat, mit der barbarischen deutschen Kriegführung
im Osten und ihrem Terror gegen alle überfallenen Völker.
Eine Zivilisation, die von der kolonialen Ausbeutung von Milliarden
Arbeitskräften lebt, die kaltblütig über Vietnam
hergefallen ist, in Chile und in der Türkei die Faschisten
putschen ließ und die gestern noch Belgrad bombardierte –
Kollateralschäden hießen schon damals die Opfer –
kein Entsetzen, keine Betroffenheit, und keiner Trauer wert.
Die Apologeten des abendländischen Wertepathos
können sich kaum eine Version der Zivilisation vorstellen,
die von ihren Maßstäben abweicht. Daher orientiert sich
der Aufruf des mehrstimmigen Chores zu Jagdorgien nicht an die Vorlage
von Beweisen, sondern an das Recht der Überlegenen, erst das
Urteil zu vollstrecken, dann das Verbrechen zu verkünden –
auch ein Trick, die Gerechtigkeit auszulegen.
Häscher in der Pilotenkabine, geschliffen fliegt
die Flotte der Rambos ”Infinite Justice”. Die Hausierer
der medialen Zunft, die Verkäufer von Wort und Bild, lauern
im Hintergrund. Keine von ihnen weiß, ob man im Job falsch
ist oder im falschen Job.
Gespieltes Gerangel im Reichstag: Moderatoren der
ethnozentrischen Fraktionskompanien rätseln über die Balance
zwischen Freiheit und Freiheitskürzung. Vom ”interkulturellen
Dialog” spricht der Oberleiter des Auswärtigen Amtes,
der dort unter dem Bombenteppich stattfinden muß, wo die kulturalistischen
Konflikte aus der Kontrolle ihrer Förderer geraten.
Das Bankrottmodell der ”internationalen Staatengemeinschaft”
begünstigt die Ambitionen des millennaren Imperatoren George
W. Bush. Die Kunst des Erschwindelns, die er für seinen persönlichen
Aufstieg bewerkstelligte, braucht er nicht anzuwenden. Seine Verbündeten
züchtigt er. Aus Angst vor dem Verlust ihrer Privilegien ließen
sich die meisten Statthalter der Staatsräson mit Kolonialgehirn
von ihm die Heimtücke aufdiktieren. Die Desperados des Killerkapitalismus
beugen sich seiner Ehrsucht. Auch die wohlbestallten Clans, die
auf der Oberfläche des Ölvorkommens urtümlich leben.
Schließlich regiert der Potentat im Weißen Haus das
Reich der Freiheit, das die höchste Zahl von Häftlingen
in aller Welt hat und die Hälfte der Waffen für alle Kriege
verkauft. Er repräsentiert eine so gesunde Gesellschaft, die
die Hälfte aller Psychopharmaka schluckt, was der Planet produziert.
Er moderiert die obersten Gesprächskreise des Freihandelns,
während an der ”offenen” Grenze zu Mexiko täglich
mehr als ein Tagelöhner beim Versuch stirbt, sie zu überschreiten.
Kurzum: Er steht einer Zivilisation vor, dessen Werte außerhalb
des Verständnisvermögens ihrer Träger bleiben.
Versagt hier die Vernunft der Aufklärung? Oder
kommt sich einer selbst abartig vor, der bei Licht betrachtet die
Tragsäulen dieser Zivilisationsmaschinerie in Frage stellt?
Der partizipierte Monarch befiehlt seinen Gesandten
den Marschmarsch, erhebt die alten Ansprüche in geballter Form.
Wer ihnen nicht Folge leistet, muß widrigenfalls damit rechnen,
mit Bombenregen überzogen zu werden. Vor ihm trudelt das Humanitäre
in den Notstand. Ein Häuflein der Menschenrechtspoeten beginnt,
um den Frieden zu winseln.
Ein langgestreckter Kreuzzug unter dem beweihräucherten
Leitvers ”Infinite Justice” – auch wenn sie kurz
nach der Dichtung zurückgenommen wurde – zwingt die Apostel
des aufklärerischen Universalismus zur Erklärungsnot.
Sie schweigen oder reihen sich noch dröhnender ein in die militante
Propagandafront der militärischen High-Tech-Maschinerie gegen
die Massenmörder. Und sie soll erst das Urteil exekutieren,
um Beweismaterial für einen nachträglichen ausfindig zu
machen. Dieser Logik der ”grenzenlosen Gerechtigkeit”,
die es nur nach dem Tod geben kann, kommt zuletzt das Dokument gelegen,
mit dem der britische Premier Blair in seiner Rolle als Kriegsparlamentär
kurz vor dem Start der Bomberflotte sich publizierte. Das Blair-Dossier,
mit dem sich die ”World Socialist Web Site” (www.wsws.org)
ausführlich auseinandersetzt, beginnt mit folgendem Vorbehalt:
”Dieses Dokument erhebt nicht den Anspruch, Anklagen gegen
Osama bin Laden zu begründen, die für einen Gerichtsprozeß
ausreichen würden.” Dieses Eingeständnis wird damit
gerechtfertigt, daß ”geheimdienstliche Erkenntnisse
aufgrund strenger Zulässigkeitsregeln und des notwendigen Schutzes
der Quellen oft nicht als Beweismaterialien verwendet werden können”.
In der Tat steckt hinter diesem Eingeständnis
die ethnozentrische Ideologie, die besagt, daß für die
Legitimation der Kriegshandlung gegen die Angehörigen einer
minderwertigen Menschengattung das Beweismaterial niederer Qualität
ausreicht, als es für einen Gerichtsprozeß notwendig
sein sollte. Dazu die ”World Socialist”-Autoren:
Blairs Dokument ist keine seriöse Darlegung von
Beweisen, die lediglich den strengen Normen juristischer Anklageschriften
nicht entsprechen würde. Sie enthält keine von unabhängiger
Seite verifizierbaren Tatsachen, aus denen eine Schuld bin Ladens,
der Al Qaida oder der Taliban im Zusammenhang mit den Terroranschlägen
vom 11. September hervorgehen würde. Die meisten in dem Dokument
enthaltenen Aussagen waren bereits zuvor in den Medien berichtet
worden. Für keine einzige Anschuldigung wird ein Beweis angeführt.
Dem Leser wird zugemutet, alle Behauptungen auf Treu und Glauben
zu übernehmen.
In der Tretmühle der Krisendemokratie strampeln sich national-koalitionär
die Dialog-Dilettanten der abrahamitischen Stammhalter und Apartheids-Militanten
ab
Das Redegeschwulst von der ”internationalen
Allianz” hat ihre Qualität im Irrlicht. Denn sie besteht
aus jener Staatencompany der Hersteller von Waffen, mit denen die
heißhungrigen Desperados der entfesselten Marktkräfte
überall wüten und auf ihre Anteile an der Beute pochen.
Hinter der Nebelwand der öffentlichen Irreführung, die
sich als Millennarwerk der Mainstream-Mediakratie preisen läßt,
wittern Börsenfüchse wie völkische Strauchdiebe Morgenluft.
Der Kult der Brachialgewalt genießt trotz aller
Tränenströme die Ehrfurcht des Wert- und Kulturgötzen.
Er läßt das Monster los und facht die Wut an, die der
Verband der Bombenstürmer angeblich dämpfen will. Eine
andere Tür steht der nordischen Schutzmacht der globalen Ständegesellschaft
auch nicht offen.
”Selbstverteidigung” lautet das
Bombast, hinter dem die nordamerikanische Hybris raucht. Das diktiert
das Humanitäre des nordischen Menschentums, und das von ihm
imponierte Protestpublikum kann nichts aus dem Nebel der Bilderglut
und Worteflut herausfiltern, was auf das Monster hinweisen kann.
Beschossen wird der Tanker seiner Friedenstränen von den Sicherheitspatrouillen
der High-Society. Mit ihm versinkt auch die Illusion von der gewaltfreien
Aktion, welche die Schönwetterschwärmer im linkslastigen
Regenmantel lange Zeit gehegt haben.
Die Darbietung des Ruinenrauchs gehört zum gängigen
Ritual des berlinischen Ständestaates. Seine Advokaten aus
der medialen Zunft warnen vehement vor dem Emporkommen einer ethnischen
Unterschicht. Zugleich vermehrt sich das Obdachlosenheer weit und
breit, so daß es die Genußsucht der Nobilität zu
verderben droht. Probleme hat das Personal der Staatsgewalt aber
mit 1,5 Millionen leerstehenden Wohnungen, zum größten
Teil im Osten der Republik, und ruft die Abrißbirnen sowie
Sprengmeister in Aktion. Fast 300 Millionen Mark kostet der Spaß.
Und das jährlich.
Das Krakeeln der Grottenkraken vermischt sich immer geistreicher
mit den moralischen Reimsprüchen der melancholischen Moritatensänger:
Der Horst des Terrors sei das Horror-Moor des Elends, in dem der
lebensechte Leviathan mit dem Kopfputz irrlichtere. Auf diesen Sumpf
mit all seinen verelendeten Biotypen soll daher die Kriegskampagne
zielen.
Zum Vorrang der medialen Lehrgangs-Multiplikatoren
und Fahnenschwenker des angesagten Weltbefreiungskrieges gehört,
alles auf den einen Tag der Apokalypse zu verkürzen und Osama
bin Laden, dem Terror-Kraken im Prokrustesbett und Mythos im Souvenirladen,
die gesamte Schuldenlast der Unternehmung aufzuhalsen. Denn er habe
nicht nur den Krieg privatisiert, sondern auch den Terror globalisiert.
Auf diesen gottserbärmlichen Progreß der Aufklärungspropheten
reagiert Werner Pirker mit einem Essay in ”junge Welt”
vom 20. Oktober 2001:
Vielleicht hat Osama bin Laden die Logik der Privatisierung
tatsächlich besser begriffen als die liberalen Denker in ihrer
Verteidigung der offenen Gesellschaft und des Gewaltmonopols des
Staates. Die Kausalität von Krieg und Privatisierung erschloß
sich in der privaten Enteignung der staatssozialistischen Gesellschaften
als ein Akt des Kriegskapitalismus. Daß dieser Krieg weitgehend
ein kalter Krieg geblieben ist, hängt mit der schockartigen
Enteignung bzw. Entwaffnung potentiellen Widerstandes zusammen.
...
Osama bin Laden, der wie eine islamische Ausgabe von
Jesus Christus aussieht, sanft wie der Gottessohn, nur nicht so
abendländisch, wie sich Christenmenschen fälschlicherweise
ihren Erlöser vorstellen, ist ein Kind seiner Zeit. Nicht der
Spätgeborene einer Zeit, in der die Propheten der Weltreligionen
einer nach dem anderen durch das Morgenland wandelten. Kein Prämoderner,
sondern ein Postmoderner. ...
Unter den 100 größten Wirtschaftseinheiten
der Welt befinden sich 51 privatkapitalistische Imperien und nur
49 Nationalstaaten. Osama bin Laden mag den Krieg privatisiert haben.
Doch was ist ein privatisierter Krieg gegen den Krieg der Privatisierer?
5000 Milliarden Dollar werden nach IWF-Schätzungen in den »Steueroasen«
geparkt und so der globalen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft
entzogen. Der Besitz von 358 Dollarmilliardären übersteigt
das Gesamteinkommen jener 45 Prozent der Länder, die in der
unteren Hälfte der Reichtumsskala angesiedelt sind. Die ganzheitliche
Welt, von den Globalisierungs-Ideologen beschworen, als deren erster
Stichwortgeber sich übrigens der letzte Generalsekretär
der KPdSU hervortat, ist so ganzheitlich wie die bürgerliche
Gesellschaft eine klassenlose. Osama bin Laden mag den Terror globalisiert
haben, doch was ist globalisierter Terror gegen den Terror der Globalisierer?
Was ist Al Qaida im Vergleich zu IWF und Weltbank?
Am 11. September 2001 ist der katastrophische Zustand
der Welt auch den Verursachern der Katastrophe bewußt geworden.
In ihrer Selbstbezogenheit konstatierten sie eine historische Zäsur.
Nichts sei mehr, wie es davor war. Mag schon sein, daß es
eine Jahrhundertzäsur war, was bei einem Jahrhundert im Alter
eines Kleinkindes wenig aussagt. Wie seicht muß postmodernes
Geschichtsbewußtsein sein, daß selbst der Untergang
der Sowjetunion als geschichtliche Zäsur inzwischen weniger
dramatisch wahrgenommen wird als der Einsturz der Ikonen des amerikanischen
Kapitalismus. Denn es ist die von ihnen beherrschte Welt, mit deren
Widersprüchen sie der Sozialismus nach seinem Abtreten allein
gelassen hat, die nun außer Kontrolle gerät. Der Mythos
vom Ende der Geschichte liegt unter den Trümmern der Zwillingstürme
endgültig begraben. Eine vorgeblich aufgeklärte Gesellschaft
folgte den mittelalterlich-mystischen Verheißungen auf die
Endzeit in Gestalt eines tausendjährigen Reiches. Wurde diese
Hoffnung früher auf einen Messias projiziert, später auf
einen Führer, so nun auf die unsichtbare Hand des Marktes.
Es war eine friedliche Posthistorie, die Francis Fukuyama
entwarf, basierend auf der liberalen Demokratie als globaler Staatsform.
Den Auftakt zum ewigen Völkerfrühling bildete der Krieg
gegen den Irak. In Jugoslawien folgten die Völker der unsichtbaren
Hand und fielen übereinander her. Der jugoslawische Bürgerkrieg
wurde zum Sittengemälde der neuen Weltordnung. Das westliche
Wertesystem dünkt sich auf eine Weise erhaben, daß es
den Krieg als Instrument zur Durchsetzung des Wahren, Guten und
Schönen als selbstverständliche Denkoption rehabilitiert,
wie man das nach 1945 nicht mehr für möglich gehalten
hätte.
Spalte die Opfer, und du machst dir den Globus untertan
Allein die Kriegspropaganda ist eine völlig andere
geworden. Stellte sie früher einen offenen Appell an niedrige
Instinkte und atavistische Triebe dar, so artikuliert sie sich nun
übernational und menschenrechtlich. Der Krieg mit menschlichem
Antlitz. Imperialistische Kriege erscheinen als Befreiungskriege.
Als wollte nach dem vorläufigen Ende des Kommunismus der Globalkapitalismus
die Rolle eines ideologisch begründeten, auf einer Befreiungsidee
beruhenden Weltsystems einnehmen. Die Internationale erkämpft
des Menschen Recht. Daß es das letzte Gefecht ist, will indes
niemand versprechen. Militarisiertes Denken hat den Krieg aus seinem
Status als Ausnahmezustand befreit und in die Normalität geholt.
Eine Epoche des permanenten Krieges kündigt sich an. ...
Die mediale Begleitung des NATO-Krieges in Jugoslawien
war Meutejournalismus der übelsten Art. Es war, als wäre
die Erwachsenenwelt auf Kindergartenniveau zurückgefallen,
andächtig den Märchen lauschend, die Jamie Shea oder Onkel
Rudolf erzählten. Vom albanischen Rotkäppchen, das Milosevic
fressen wollte oder vom albanischen Schneewittchen, das der NATO-Prinz
mit einem Kuß erlöst hat. Dissens zu dieser manichäischen
Weltsicht war kaum vernehmbar. Der mediale Stammtisch formierte
sich zum fröhlichen Jagen. Belgrad war eingekesselt.
Verglichen mit damals wirken die Erzeugnisse der Meinungsproduzenten
im Angesicht des »Krieges gegen den Terror« seltsam
gequält und von des Gedanken Blässe angekränkelt.
Gestern noch hemmunglos, heute ängstlich zurückgezogen.
Auch daran erkennt man die Meute. Jugoslawien war ein hilfloses
Opfer, das seine Existenz als souveräner Staat zwar verzweifelt
verteidigte, aber letztendlich chancenlos war. Der Balkanstaat hatte
keine Verbündeten, jedenfalls keine, die ihre Existenz mit
der Jugoslawiens verbunden hätten. Vor allem aber war der Balkan
kein Terrain, auf dem der vielzitierte »Clash of civilisations«
hätte stattfinden können. Die islamische (Ausnahme: Libyen)
und protestantisch-katholische Welt waren in ihrem Kampf gegen das
orthodoxe Serbien ein abendländisches Herz und eine morgenländische
Seele. Das restsozialistische Restjugoslawien wurde, obwohl es sich
aus diesem immer rausgehalten hatte, zum letzten Opfer des Ost-West-Konfliktes.
Ein nicht unwesentliches Kalkül der Balkan-Politik des Westens
dürfte darin gelegen haben, über ihr »proislamisches
Engagement« den islamischen Nationalismus als eine Erscheinungsform
des Nord-Süd-Konfliktes zu entschärfen. Spalte die Globalisierungsopfer
und du machst dir den Globus untertan.
Daß das Kalkül nicht aufging, hat wesentlich
mit der israelischen Politik der andauernden Unterdrückung
und Demütigung der Palästinenser zu tun. Auch dürfte
es den Islamisten klar geworden sein, daß sie in Bosnien und
im Kosovo der Sache des Westens zum Sieg verholfen haben und nicht
umgekehrt. Von einer islamischen Republik auf dem Balkan ist nichts
zu sehen. Vor allem aber reflektiert der Islamismus auf seine verzerrte,
religiös verklärte und reaktionäre Weise die Krise
der Globalisierung. So wie im europäischen Mittelalter die
Bewegung der Ketzer und Geißler, angeführt von Reichen
mit schlechtem Gewissen und getragen von den Marginalisierten, eine
unbewußte Form sozialen Protestes äußerte. Wenn
auch sozial und intellektuell rückständig, weil nicht
Zukunfts-, sondern Vergangenheitshoffnungen zum Ausdruck bringend,
waren sie doch Vorboten der Neuzeit. ...
Der Islamismus ist bei allem religiösen Wahn
von dieser Welt, in der die Dritte zur Zweiten Welt wurde, dabei
aber nicht aufstieg, sondern in die Viertklassigkeit abstieg. Bin
Laden ist der personifizierte Globalisierungs-Widerspruch, der Prophet
der Apokalypse, der Verkünder der pessimistischen Variante
des Endes der Geschichte.
Das Bombardement Jugoslawiens war das verspätete
heiße Finale des Kalten Krieges, einfach freiwillig, ganz
ohne letztes Gefecht durfte der Sozialismus nicht aus der Geschichte
abtreten. Nun beginnt der neue Krieg. Ein nie dagewesener. Als US-Präsident
Bush ihn ankündigte, dürfte er sich der vollen Tragweite
seiner Aussage nicht bewußt gewesen sein. In der öffentlichen
Wahrnehmung existiert wenigstens eine Ahnung davon. Deshalb verhalten
sich die Meinungs-Multiplikatoren diesmal nicht wie verrückte
Fußballfans – allen Serben die rote Karte! –,
sondern eher wie Zuschauer einer klassischen Tragödie. Denn
dieser nie dagewesene Krieg, der in Afghanistan begann, könnte
zum internationalen Bürgerkrieg werden. Zum Krieg Reich gegen
Arm, in dem die Reichen und die Armen entweder gemeinsam untergehen
oder die Reichen früher oder später verlieren werden.
...
Nun aber ist der Nord-Süd-Charakter der globalen
Auseinandersetzung evident. Der Schwachsinn von den Schurkenstaaten,
die sich gegen die »globale Zivilgesellschaft« verschworen
haben sollen, wird zunehmend unglaubwürdig. Das bürgerliche
Feuilleton vermerkt mit Entsetzen, daß der Einsturz der Twin-Towers
die innere Brüchigkeit des Globalisierungsregimes zum Ausdruck
brachte. ...
Wofür der linksliberale Mainstream eintritt,
ist die Globalisierung der Sozialpartnerschaft bzw. die Versozialpartnerschaftlichung
der Globalisierung. Doch ist die Globalisierung nun einmal das Gegenmodell
zur Sozialpartnerschaft im nationalstaatlichen Rahmen. Nun soll
sie international sozialpartnerschaftlich agieren? Die Zurückdrängung
der nationalstaatlichen Komponente betrifft ja nicht den staatlichen
Repressionsapparat, sondern die Sozialstaatlichkeit. Der an sich
wertneutrale Begriff »Globalisierung«, der die brachiale
Unterwerfung der Welt unter das Profitprinzip als objektiven Prozeß
suggeriert, der ein Für oder Wider sinnlos macht, ist das semantische
Gegenteil seiner selbst: Die Welt erfährt eine nie dagewesene
soziale Spaltung.
Ebensowenig wie es einen Imperialismus mit menschlichem
Antlitz gibt, gibt es eine andere Globalisierung unter den Bedingungen
des Imperialismus. Der imperialistische Krieg hat diverse Spekulationen
ohnedies gegenstandslos gemacht. Deshalb eröffnet der Kampf
gegen den Krieg auch die Chance einer inhaltlichen Radikalisierung
der Anti-Globalisierungsbewegung. Berlusconi hatte seine Anti-Terror-Einheiten
auf sie bereits losgelassen, noch bevor die Flugzeuge in die Türme
von New York krachten.
Unter Stars and Stripes
Mitten im Kriegsgetümmel des gutmütigen
Wertzentrums gegen die bösartige Randgeschwulst am Korpus des
anthropogenen Planeten wurde das Weltturnier der fußballernden
Gladiatoren austragen. Aus dem virtuellen Zusammenschluß der
Kontinente bestand ihre Arena, in der wie in den römischen
Zeiten die sozial zerrüttete, moralische verrottete Menschenmengen
angehäuft, in den jauchzenden Pöbel unter unterschiedlichen
Standarten verwandelt und Spektakel gefüttert.
Mitten im Kriegsrummel des Pentagon-Generalissimus
spielte im deutschen Glotzkasten der „Planet der Affen“
– eine televisionäre Auflage des Szenariums vom "Untergang
des Abendlands". Halluziniert wird darin das Verschwinden der
durch die Explosion im Makrokosmos per Knopfdruck. Zuvor aber gelang
der Affenfamilie die Machtergreifung und die Befehlsgewalt über
die Biosphäre. Der Weltenlenker oben schaute nur zu und brach
in homerisches Gelächter aus.
Doch das breite Publikum unten rührt sich nicht,
irritiert durch das Überhandnehmen des Außerirdischen.
Eine Spukgestalt macht sich am Horizont breit. Ein Irrlicht, das
bewirkt, zu deregulieren, privatisieren, freihandeln, fremdeln,
markieren, multiplizieren, marginaliesieren. Das Deckwort „Globalisierung“
faßt alles zusammen, was noch kommen wird. Unter ihm verbirgt
sich eine Mutante, spekulieren die meisten Ordensbrüder der
Intelligentsia. Darin sind sich jedenfalls die Tüftler der
"Multitude" einig, die das Zirkusrund der "Attac"-Akrobatik
mit notwendigen Hintergrundsmaterial versorgen. Demnach ist das
Empire eine Mutante. Das allein erklärt, warum hochkapitalistische
Gesellschaften im wachsenden Maße vom kurzweiligen Tamtam
ihre Regel diktiert bekommen. Das stimmt: Fernsehen und Filme als
Imageproduktionen unterhalten und locken nicht nur, sie sind auch
Formen der Macht. Wahr ist auch, daß im Spektakel ein zentraler
Mechanismus der Macht innewohnt.
Also spricht die postmoderne Intelligenzbestie, was
man von ihr erwartet: Die Industriestaaten sind dem Freihandel unterworfen.
Sie verantworten daher nicht, welche Ramschware der Markt aufschaufelt,
welches Untier er mästet. Man sollte ihm die Ehrfurcht nicht
entziehen, sondern seinen Stars zu Ehren Spalier stehen und Konfetti
streuen.
Epochal bleibt der Marasmus des Humanitären.
Er weitet sich schwer kontrollierbar aus. Doch ihm will –
welch eine Kaskaden-Maskerade – die okzidentale Verbrüderung
den ideologischen Ballermann der Prävention entgegenhalten.
Begonnen hat das imperiale Kartellamt damit zum wiederholten Mal,
zuletzt mit der UNO-Konferenz "Entwicklungsfinanzierung"
in Monterrey/Mexiko. Theo Wentzke informiert in der Analyse des
GEGENSTANDPUNKT-Verlags in „Radio Lora“ vom 13. Mai
2002:
Die "erste" Welt beschenkt die Staaten der
"dritten" mit einer Perspektive: schuldenfreie Armutsverwalter.
"Die Idee, zu Ende gedacht, würde den reicheren
Ländern ermöglichen, bestimmte Hilfsprogramme für
Entwicklungsländer an Suborganisationen zu vergeben, unter
Verzicht auf die Regierungen der besagten Länder. Als Beispiel
wurde ein hypothetischer Fall vorgetragen, in dem eine Geldsumme
einer Organisation wie Ärzte ohne Grenzen übertragen wird,
damit eine bestimmte Zahl von Kindern in Afrika geimpft wird."
(El País, 22.3.)
Ob dann geimpft wird oder nicht, den Regierungen der
"besagten Länder" ist damit ihr Stellenwert zugewiesen:
An der Seite von mildtätigen Vereinen, die das Vertrauen imperialistischer
Geldgeber genießen, dürfen sie noch die Funktion einer
Armenhausverwaltung erfüllen. Sonst haben sie ja nichts weiter
zu tun. Nachdem die 1. Welt ihnen mangels Erfolg den Kredit streicht,
steht definitiv fest, dass aus ihren Ländern nie mehr etwas
anderes wird als eine Aufbewahrungsanstalt mit angeschlossenem Lazarett
für die kapitalistisch nutzlosen Landesbewohner. Die wiederum
bekommen vom großen UNO-"Wir" eine neue Aufsicht
spendiert, die im Zeichen "guter Regierung" aus ihrem
Land ein sauber geführtes Armenhaus machen will, in dem Ärzte
sauber ihren Impfstoff an den Mann bringen können.
Almosen aus dem "Millenniumsfonds" für
redliche Armutsverwaltung sind nämlich nicht bloß eine
milde Gabe; auch das arbeitet die Konferenz von Monterrey erfreulich
deutlich heraus. Das Schlagwort von der "guten Regierungsführung"
steht für das Kontrollregime, das weniger die Insassen dieser
Länder als vielmehr die "entwickelten" Weltmächte
brauchen. Der Oberbefehlshaber der Freien Welt und ihres Feldzugs
gegen das terroristisch Böse, George Bush, hält die UNO-Konferenz
zur "Entwicklungsfinanzierung" für genau das geeignete
Forum, um die Gleichung zwischen Armutsbekämpfung und antiterroristischem
Säuberungskrieg in der imperialistisch einzig korrekten Reihenfolge
vorzulesen: "Bush unterstrich, dass der Kampf gegen den Terrorismus
‚Millionen von Menschen, die Gefangene der Armut sind, befreien
wird‘" – wovon auch immer. (El País, 23.3.)
Die deutsch-christliche Friedensbewegung hätte
das Gleiche lieber süß und nicht bloß militärisch:
"Die Institutionen, die Entwicklung erst möglich machen,
müssen aufgebaut oder gestärkt werden: Polizei, Justiz,
Verwaltung." – und das geht "in manchen Ländern
vermutlich nur, indem eine – möglicherweise kleine –
Interventionstruppe der Vereinten Nationen den Kern der neuen Staatlichkeit
schützt." (Erhard Eppler im Interview mit der Süddeutschen
Zeitung, 8.3.)
Gewalt muss sein, damit die "Entwicklung"
der verkommensten Staaten der "3. Welt" zu ordentlichen
Elendsanstalten "möglich" wird. Wer wollte da widersprechen!
Die Ökopaxen und Globetrotter des "Homo
touristicus" im "Weltsozialforum" vielleicht? Von
dort weiß man bis jetzt, wie die sozialistische Idee aus dem
Zirkusrund der Foren zweimal erfolgreich ausgeschlossen wurde. Etabliert
hat sich das Etablissement der Nongovernment-Prostitution durch
den Quantensprung der digitalen Revolution. Hochklettert auf das
Establishment der Eine-Welt-Gemeinde sind die Marketender und Makler
des Appellationshumanismus. So appelliert seit Porto Alegre 2002
der Karriere-Zyklus "GreenPeace" mit erhobener Stimme
an die imperiale Leitzentrale, "Weichen für eine nachhaltige,
ökologische und friedliche Weltordnung" zu stellen. Postalische
Adresse ist das "Weiße Haus" in Washington, wo sich
die Falken einnisten und ihren Horst ausbauen. Die drei großen
Imperative ihrer Geostrategie bestehen darin, Händel zwischen
den Vasallen zu verhindern, die Tributpflichtigen fügsam und
geschützt zu halten und die Barbaren so zu versorgen, daß
sie aneinander an die Kehle fahren. Hinter den Taliban-Halunken,
denen sie jetzt den Garaus gemacht haben, standen sie, als diese
einst die Teufelsmeute der Bolschewiki zurück ins Reich der
Finsternis ballerten. Auf der Weltkarte markieren sie weitere Schurkennester
und lösen Spannungen mit der Handkante. Sie wirken als Promoter
des Den Haag-Spektakels, das irreführend "Internationale
Strafjustiz" genannt wird.
Jedes Erdstück, das ihnen widerspenstig erscheint,
schwärzen sie an, nachdem sie das Ende eines Booms verkündet
hatten, auf das immer die Bomben folgten. Unter ihrem Handgriff
wird die Mehrzahl des Menschengeschlechts außer Kurs gesetzt,
eine Geographie nach der anderen in die Quarantäne der minderwertigen
Überflüssigen verwandelt. Aus dem Schatten des Globalisierungsbetriebs
erwächst die ökonomische Piraterie. Auch der Terminus
Terror ist ein elementarer Bestandteil des marktbestimmten Zivilisationspathos.
Damit befaßt sich Jean Ziegler im Vorwort zum James H. Hatfields
Bestseller "Das Bush-Imperium", abgedruckt in "junge
Welt" vom 21. Mai 2002:
Thomas Friedman, früherer Assistent von Außenministerin
Madeleine Albright, schreibt: »Damit die Globalisierung funktioniert,
dürfen die Vereinigten Staaten nicht zögern, als die unbesiegbare
Weltsupermacht zu agieren, die sie sind. Die unsichtbare Hand des
Marktes funktioniert nicht ohne die sichtbare Faust. McDonalds kann
nicht prosperieren ohne McDonnel-Douglas, dem Fabrikanten der Kampfflieger
F-15. Die sichtbare Faust sichert auf der ganzen Welt den Sieg der
Technologieprodukte aus dem Silicon Valley. Diese Faust sind die
Landstreitkräfte, die Marine, die Luftwaffe und das Marine-Corps
der Vereinigten Staaten.« (Thomas Friedman, New York Times
Magazin, 28.3.1999) ...
Globalisierung ist täglicher Terror. Alle sieben
Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Alle vier Minuten
verliert ein Mensch das Augenlicht wegen Mangel an Vitamin A. Über
100000 Menschen sterben jeden Tag am Hunger oder seinen unmittelbaren
Folgen. 828 Millionen Kinder, Männer und Frauen waren letztes
Jahr permanent schwerstens unterernährt. Die FAO errechnet:
Die Weltlandwirtschaft könnte heute ohne Probleme zwölf
Milliarden Menschen ernähren. Ohne Probleme heißt, jedem
Menschen jeden Tag 2700 Kalorien Nahrung geben. (World Food Report,
Rome, 2001) Die gegenwärtige Erdbevölkerung beträgt
6,2 Milliarden.
Es gibt keine Fatalität, nur imperiale Vernichtung
und Arroganz. Wer heute am Hunger stirbt, wird ermordet. Wer Geld
hat, ißt und lebt; wer keines hat, hungert, wird invalid und/oder
stirbt.
Vor über 2000 Jahren schon schrieb Marc Aurel:
Imperium superat regnum. Das Imperium unterwirft sich alle anderen
Mächte. Die Oligarchie des amerikanischen Finanzkapitals beherzigt
diese Lektion aufs Trefflichste.
Dieses Imperium unter Stars and Stripes schwingt die
Peitsche auch über die Verbündeten, damit diese nicht
mehr eigene Lebenswelten konstituieren, sondern sich ineinander
verschlingen. Darunter leidet das Groß-D am schwersten. Auch
wenn dieser Kumpan der nordamerikanischen Eine-Welt-Kompanie im
Gegensatz des Mustersatelliten GB seine Interessen auf dem ganzen
Erdenrund tangiert sieht, kann er gegenwärtige nichts weiter,
als er ins Grübeln kommt. Also spricht George W. Bush im Berliner
Reichstag:
Unsere Generation steht vor neuen und ernsten Drohungen
gegen die Freiheit, gegen die Sicherheit unserer Menschen und gegen
die Zivilisation insgesamt. Wir stehen vor einer aggressiven Kraft,
die Tod verherrlicht, die auf Unschuldige zielt, Mittel für
ihre Zwecke sucht, Mord in großem Maßstab zu betreiben.
Wir haben massive Bedrohungen durch Armut und durch Tod bringende
Krankheiten. Man kann aber das nicht so stehen lassen, man muss
sich mit diesen neuen Herausforderungen auseinander setzen und zwar
gemeinsam auseinander setzen. Die, die gegen die menschliche Freiheit
sind, die diese Freiheit angreifen, werden sie auf jedem Kontinent
angreifen. Die, die Raketen in ihren Besitz bekommen wollen, kennen
auch die Karte Europas. ...
Während wir das Haus der Freiheit bauen, müssen
wir uns den Herausforderungen einer größeren Welt stellen.
Und das gemeinsam. ...
Die Terroristen sind durch ihren Hass definiert. Sie
hassen Demokratien, Toleranz und die freie Meinungsäußerung.
Sie hassen Frauen, sie hassen Juden, sie hassen die Christen und
sie hassen alle Islame, die sich gegen sie richten. Andere töteten
im Namen rassischer Reinheit oder eines Klassenkampfes. Diese Feinde
töten im Namen einer falschen religiösen Reinheit, und
sie verdrehen den Glauben in dessen Namen sie vorgeben zu sprechen.
In diesem Krieg verteidigen wir nicht nur Amerika und Europa, wir
verteidigen die Zivilisation selbst. ...
Gefahren, die weit von Europa entstehen, können
nun Europas Herz treffen. Deswegen muss die Nato in der Lage und
willens sein, zu handeln, wann immer Bedrohungen auftauchen. Das
erfordert alle Mittel der modernen Verteidigung. ...
Wir wissen nicht, wo die nächste Bedrohung herkommt.
Und wir werden auch nicht wissen, in welcher Form sie gegen uns
auftritt. Aber wir müssen bereit sein als militärische
Partner, uns gegen diese Bedrohungen gegen unsere gemeinsame Sicherheit
zu wenden.
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