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Existentiell ist der Himmelsvater
als essentieller Bündnisgenosse der beständigen Schlacht
der freisinnig erlauchten Kastenallianz gegen die Invasion der gewalttätigen
Mulatten. “Gott ist”, trällerte der Generalissimus
George W. Bush, “im Kampf zwischen Terror und Gerechtigkeit
nicht neutral”. Damit sind seine Bomberflotten nicht für
eigene Interessen unterwegs, sondern für die allerhöchsten
Werte gegen den Ausfluß des abgrundtiefen Dämonen. “Da
gehört es sich nicht, dem Feind irgendeinen nachvollziehbaren
Grund für sein Handeln zuzubilligen,” heißt es
in der GEGENSTANDPUNKT-Analyse bei Radio Lora vom 15. Oktober 2001:
Es sind zwar Debatten aufgekommen – auch in
Amerika –, in denen gefragt wurde, ob sich das terroristische
Handeln nicht auch als eine Reaktion erklären lasse, nämlich
als eine Reaktion auf die Wirkungen der US-Weltherrschaft, die in
recht vielen Weltgegenden nun mal nicht so segensreich sind. Aber
solche Debatten endeten regelmäßig im "Entsetzen"
– im "Entsetzen" über eine solche Tat, die
doch tatsächlich Opfer hervorgebracht hat. Bei gutem Willen
könne man sich vorstellen und auch ein bisschen verstehen,
wenn Marktwirtschaft und Demokratie so, wie sie von den USA an erster
Stelle in der ganzen Welt vertreten und durchgesetzt werden, Unzufriedenheit
erzeugen – aber wer dagegen etwas anmelden wolle, Berücksichtigung
einfordere, der dürfe doch nie und nimmer zu solch einem Mittel
greifen. Der stehe außerhalb der Zivilisation und verwirke
sein Recht auf Gehör, der wolle einfach bloß noch Schaden
anrichten, weil ein böser Dämon ihn treibe. ...
Wer die Frage stellt: Sind die "Islamisten"
so "fanatisch" wegen des Islam oder interpretieren sie
den Islam falsch? – der will eben keine Verurteilung der Religion.
Der will auf die Trennung zwischen der Religion und den "Fanatikern"
hinaus: Die "Fanatiker" gehen falsch mit einer grundsätzlich
anerkennenswerten Religion um. Als seien sie berufene Ausleger des
Koran, machen westliche Wissenschaftler, Journalisten und auch Politiker
den Muslimen dieser Welt die Frage auf, ob sie eigentlich ihren
Glauben im Sinne der freiheitlichen Gesellschaften richtig handhaben.
Sie erheben also den Anspruch zu wissen, wie die Muslime mit ihrem
Glauben richtig umzugehen hätten. Nur so erklärt sich
die feinsinnige Unterscheidung zwischen dem Islam und seinem "-ismus".
Letzterer gilt als Missbrauch des Islam und besteht darin, dass
er die Prioritäten zwischen Politik und Religion auf den Kopf
stellt. Wenn die Religion beansprucht, das wirkliche Leitmotiv des
Erdenlebens zu sein, dann setzt sie sich gegenüber der Politik
absolut und damit ins Unrecht. Genau dagegen versündigt sich
der Islamismus. Die Religion hat ihren Platz als sinnstiftender
Zusatz zur gemachten Politik einzunehmen, ansonsten wird sie zum
"religiösen Fanatismus". ... Gläubige sollen
also den Widerspruch akzeptieren, dass sie zwar an die Existenz
eines absoluten Wesens glauben, das über allem stehe, dass
aber in dieser Welt der Staat der Allerhöchste ist, dem die
Gläubigen Gehorsam schulden, unabhängig davon, ob sein
Handeln mit ihrer Auffassung von Gottgefälligkeit übereinstimmt
oder nicht. Die Unterordnung unter ein höheres Wesen haben
die Bürger also nur auf sich in ihrer ganzen Privatheit zu
beziehen. Wenn sie dadurch Trost und einen höheren Grund für
die Zumutungen, die ihnen widerfahren, und Opfer, die sie erbringen
müssen, finden, dann ist der Staat schwer für die Religion.
Denn die ist so genau das, was ein gewisser Karl Marx schon 1843/44
über sie herausgefunden hat – "das Opium des Volks"
(Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie; MEW 1, S. 378). Aufgabe
der Pfaffen aller Religionen ist es, neben ihrer sonstigen Seelsorge
den Waffengängen die moralische Legitimation zu erteilen, die
dabei anfallenden Opfer nach ihrem jeweiligen Ritus unter die Erde
zu bringen und den Hinterbliebenen Trost zu spenden. Darin sind
sie funktional für das staatlicherseits durchgesetzte politische
Interesse – auch wenn der eine oder andere von ihnen mal nicht
umhin kann, im Namen seines jeweiligen Allerhöchsten den Krieg
als Ausfluss der "sündigen Menschennatur" anzuprangern.
Das Finale der kriegerischen Handlung hängt von
der Tatenlust an der Heimatfront ab. So tourt die Gewalt-gegen-Schlagetot-Performance
– garniert mit der Verbalerotik Schickeria versus Scharia
– durch die wohlgestalteten Zitadellen beim Lehrfall in Sachen
der Eine-Welt-Aristokratie. Ihre Fachwerker fackeln nicht lange
und komplettieren die kompatible Aufklärungsformel vom Abendland
versus Morgenland, während die Truppen der Zivilisation über
die Horden der Barbarei triumphieren. Und Barbaren waren immer die
Geschlagenen – haushoch unterlegen als Urvieh. Auch heute
im Bergland von Hindukusch. Der millionenfach drohende Hunger- und
Wintertod weckt natürlich moralisches Gewimmer bei Galaabendfeuilletonisten
und Sonntagmorgenchristen. Das können sie aber nicht ändern,
außer, daß sie maulfaul ihr Gewissen etwas zu erleichtern
suchen – mit der Überweisung eines Obolus auf das Konto
einer der humanitären Helfergilde. Gleichzeitig setzt die Fanggemeinde
geläuterter Gläubigen ihre Gebetsstunden für die
Bombenflieger fort, damit diese mehr die Zenturien der Gottesstreiter
treffen als die zivilen Zentren.
Der Feldherr aber scheint nicht genötigt zu sein,
sich solche Begleitmusik der Fanggemeinde geläuterter Gläubigen
anzuhören, dieses rauchige Gewimmel am Wertehimmel. Auch nicht
die moralischen Schwüre der Menschenrechtseliten, der Krakeler
im linken Habitus sowie der ganzen Heerschaft der Kommunitaristen.
Eingesackt von dem Imperatoren müssen sie vor ihm auf seinem
mit “freedom and democracy” gefunkelten Pfauenthron
zu Kreuze kriechen.
Der zivilisatorische Weltkrieg braucht seine Gespenster,
die er sich ausmalt oder auch selbst fabriziert – mit immer
wechselhaften Gesichtern. Slobodan Milosevic hieß der Supermutant
vor etwa zwei Jahren, der als gefährlicher Gegner für
den Plan der neuen Eine-Welt-Pyramide erschien. Überwältigt
wurde er, verschleppt und vor das Straftribunal des Forum Okzidentum
in Den Haag gestellt, wogegen er hinter den schalldichten Mauern
weiter seine Stimme erhebt. Die von den Triumphatoren des Balkan-Feldzugs
bestellten Kadis gestatteten ihm nicht, bei seiner zweiten Anhörung
am 30. August 2001 eine Erklärung abzugeben, in der er dieser
Furien-Justita jegliche Legitimität abspricht. In dem von “junge
Welt” vom 25. und 26. Oktober 2001 dokumentierten Manifest
entlarvt Slobodan Milosevic die nordatlantische Allianz nicht nur
als Ziehvater des Terrorismus, sondern auch als dessen Schlagetot:
Das derzeit praktizierte internationale Recht akzeptiert
die Bombardierung schutzloser Zivilbevölkerungen durch hochentwickelte
Militärtechnologie, die ein Land zerstören kann, ohne
es zu betreten, nur deshalb, weil eine Supermacht die internationale
Strafverfolgung kontrolliert und über Verstöße entscheidet.
Das dominierende Element moderner Militärmacht
ist Massenvernichtung. Sieger sind die Nationen mit der größten
Fähigkeit zur Massenvernichtung. Damit wird die Zivilbevölkerung
in einen Zustand maximaler Gefährdung versetzt; denn unmittelbares
Ziel der US-Luft- und Raketenangriffe war die Infrastruktur für
alles zivile Leben, für Gebäude, Wasser, Strom, Verkehr,
Kommunikation, Nahrungsmittelerzeugung, -lagerung und -verteilung,
medizinische Versorgung, Schulen, Kirchen, Moscheen, Synagogen,
und ausländische Botschaften. Mehrere tausend Zivilpersonen
wurden unmittelbar und weit mehr noch indirekt getötet. Die
USA behaupten, 159 Todesfälle erlitten zu haben, ein Drittel
davon durch eigenes Feuer, nicht im Kampf. ...
Die Idee Jugoslawiens, eine Balkanföderation
zu bilden mit dem Ziel, Spaltungen zu heilen und eine bessere Chance
für ein Zusammenleben in Frieden und Wohlstand zu bieten, galt
in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg als ein wichtiges Mittel
zum Frieden. Während die Idee zwischen den beiden schlimmsten
Kriegen der Geschichte nur mühsam vorwärts kam, wurde
sie nach dem Zweiten Weltkrieg, in welchem sie zu Schanden gemacht,
aber nicht besiegt worden war, mit bemerkenswertem Erfolg verwirklicht.
Eine unabhängige und vereinigte Bundesrepublik Jugoslawien
wurde eine längerfristig erfolgreiche Lösung für
die südslawischen Völker. Sie war ein Bollwerk der Blockfreienbewegung.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Ostblockwirtschaft
war sie die übriggebliebene sozialistische Regierung, die für
die kapitalistische Kontrolle Osteuropas eine Bedrohung darstellte.
...
Nach dem Zusammenbruch der Ostblockwirtschaft galt
vielen in der Region eine größere Balkanföderation,
eine südöstliche Europäische Union als ein Mittel,
um wirtschaftlicher Ausbeutung vorzubeugen, Gewalt zu vermeiden
und eine starke und unabhängige politische, soziale und wirtschaftliche
Region zu entwickeln. Ausländisches Kapital und geopolitische
Interessen der USA betrachteten dies als ein gefährliches Hindernis
für ihre Pläne für eine neue Weltordnung, für
Globalisierung und neuen Kolonialismus.
Nachdem die USA Jugoslawien dämonisiert hatten,
griffen sie es straflos an und verfolgten seine Führung. Gnadenlos
bombardierten die USA Jugoslawien 79 Tagen lang. Sie versuchten,
mich zu ermorden, indem sie meine Wohnung, mein Büro und andere
Örtlichkeiten, wo sie mich vermuteten, bombardierten. Sie versuchten,
Libyens Staatsoberhaupt Muammar Ghaddafi bei ihrem Luftangriff auf
Tripoli 1986 zu töten, ebenso wie den irakischen Präsidenten
Saddam Hussein bei mehreren Gelegenheiten seit 1991 ...
Kann ein Straftribunal für Jugoslawien, das die
durchgängige Gewaltanwendung der USA ignoriert und das öffentliche
Bewußtsein vom Verhalten der USA ablenkt, das Luft- und Raketenangriffe
auf Zivilisten und den Einsatz illegaler Waffen gegen ein Land nach
dem anderen durch stillschweigende Hinnahme legitimiert und damit
eine Wiederholung zu einem permanent zu erwartenden Ereignis macht,
zu der Hoffnung auf Einhaltung des Rechts, auf Gerechtigkeit und
Frieden beitragen?
Die Vereinigten Staaten selbst sind gegen Kontrolle
oder Verfolgung immun, stehen über dem Gesetz und gebrauchen
ihre Macht, um Feinde auszuwählen, zu terrorisieren und zu
verfolgen.
Antideutschen-Tour hinter teutonischem Traktor für gerechte
Gewalt
Das illegale Monument von Den Haag wird der Ex-Präsident
Jugoslawiens wahrscheinlich nicht zum Einstürzen bringen können.
Denn es markiert das Zeitwort der imperialistischen Apartheidsjustiz.
Auf Widerstand dagegen steht lebenslänglich.
Dafür operiert der Stoßtrupp des Weltgeistes
unter “stars and stripes”. Stark ist sein Hinterland,
vereint sind hinter ihm doch die Kräfte der Aufklärung.
Sie setzen ihre Wertepyramide als absolut voraus und beurteilen
von deren Spitze herab den weiteren Weltstand. Augenfälliges
Beweismaterial über die Bösewichter des schwarzen Septembers
verlangen sie nicht. Alles, was sie für ihren Urteilsspruch
brauchen, steht in der missionarischen Schwarte, dem Lehrherrenkapitel
über die Rassen- und Kulturkreise.
Vor dem zivilisatorischen Fundamentalismus, der Autokratie
des marktschreierischen Universalismus, bücken sich in den
vorderen Reihen scharenweise die linksseitigen Autoren des deutschen
Blätterdschungels. Unmut bereitet ihnen der beschleunigte Ausbau
eines erdumspannenden Kontrollregimes, welches kein Außen
mehr kennt. Betroffenheitssyndrom! Als “geistig miteinander
verwandt” erklären sie den friedensbewegten Protest und
den “islamistischen Terror”. Temperamente entfalten
sie vor dem High-Tech-Feuerwerk der US-Army im afghanischen Bergland.
Zu begrüßen sei sie, pinselt Udo Wolter in “Jungle
World” vom 30. Oktober 2001 hin, “nicht als Retter vor
dem Terrorkonzern al-Qaida”, dem “McDjihad als Kulturkonzern”.
Aber beide seien noch lange nicht dasselbe:
Nicht nur die monströse Qualität der Anschläge
in New York und Washington oder ihre Folgen wie die Militarisierung
der Politik, die repressive Formierung des Sicherheitsstaates und
die Verschärfung rassistischer Ausgrenzung (nicht nur gegen
MuslimInnen) haben dazu beigetragen.
In den Beiträgen drückt sich auch eine diffuse
Ahnung aus, dass sich die moderne kapitalistische Warenvergesellschaftung
deutlich einem Stadium angenähert hat, wie es in den düsteren
kulturindustriellen Visionen von SciFi- und Katastrophenfilmen antizipiert
wird. In den verwüsteten Modernisierungsruinen organisieren
sich religiöse Terrorsekten, während aus den verbliebenen
Wohlstandsinseln hochtechnisierte Killerspezialisten zur Liquidierung
der Oberschurken in die Verwüstungsregionen ausgesandt werden.
Ein Szenario wie aus dem Film “Die Klapperschlange”,
der bereits vor einigen Jahren Wolfgang Pohrt zu seinen Reflektionen
über den Zerfall des Staates und der Politik bürgerlicher
Herrschaft in Bandenstrukturen inspiriert hat.
Tatsächlich haben diese Fantasien einiges für
sich, nicht nur wegen der kulturindustriellen Implikationen. Das
gilt auch, wenn der unbedingt notwendige Bezug auf den antisemitischen
Charakter der islamistischen Anschläge von New York und Washington
hergestellt wird. Denn das Vorgehen der USA angesichts der Bedrohung
ist weit eher mit der Logik des Racket zu erfassen als mit der Konstellation
des Zweiten Weltkrieges, auf die Antideutsche die aktuelle Situation
abzubilden versuchen. ...
Auch die umstandslose Gleichsetzung des Islamismus
mit der NS-Ideologie überdeckt mehr, als sie selbst bei vorsichtigem
Gebrauch erhellen könnte, wenn sie der falschen Kapitalismuskritik
der antisemitisch grundierten Verschwörungstheorien und antiamerikanischen
Ressentiments des linken Antiimperialismus und der Friedensbewegung
eine genauso simplifizierende “Weltverdeutschungstheorie”
entgegensetzt. Das heißt aber nicht, dass eine Untersuchung
der fatalen Verwandschaften zwischen der deutschen Ideologie und
dem Islamismus sich erübrigen würde.
Um die Personifizierung der McDjihad-Vertreiber als
“Ideologieunternehmen einer neuen Art” auf perfektible
Beine zu stellen, macht Udo Wolter vielerlei Ausflüchte. Fest
steht für ihn, daß die völkisch-antisemitische “Weltanschauung”
des Nazismus” mit dem Islamismus eben darin vergleichbar sei,
“dass beide eine durch und durch antiemanzipatorische und
antiaufklärerische Reaktion auf die warenkapitalistische Modernisierung
darstellen. Beide setzen auf die regressive Utopie einer organischen
Gemeinschaft als eine Art romantischer Gegenmoderne, die den Hass
auf das Abstrakte der Herrschaft kapitalistischer Warenvergesellschaftung
im jüdischen Finanzkapital und jüdisch beinflusster amerikanischer
Macht personifiziert.” Al-Qaida stehe für eine Art Kulturindustrialisierung
des Terrors, und der Antisemitismus sei im Supermarkt der Ideologieunternehmer
ein absoluter Verkaufsschlager:
Die WTC-Anschläge waren ein monströs blutiger
und auf allen Bildschirmen der Welt fast in Echtzeit verfolgbarer
Groß-Event, der für die zahlenden Konsumenten (Spender,
aber auch der jetzt mit Bin-Laden-Postern herumlaufende Mob) den
“imaginären Gebrauchswert” der Entladung antisemitisch
und antiamerikanisch aufgeladener Affekte besaß. ...
Ähnliches gilt für den virulenten Antisemitismus
und den Hass auf Israel und Amerika als Agenten des jüdischen
Finanzkapitals, den der kulturindustrielle McDjihad-Konzern von
bin Laden nun auf so grausame Weise medienwirksam zelebriert. ...
In der Rede von den sozialen Ursachen der islamistischen Gewalt,
die in Deutschland übergreifend von der FAZ bis zur Friedensbewegung
präsent ist und in der regelmäßig zuerst die “palästinensischen
Opfer der israelischen Besatzungspolitik” genannt werden,
macht man sich mit diesem Bündnis gemein.
Davor warnt auch der libertäre Europoid Daniel
Cohn-Bendit, der in den Taliban das Faschistoide erblickt und erdichtet,
wie der Islamismus auf dem Unglück der arabischen Massen surfe
wie einst der Bolschewismus auf dem des Proletariats. Grundfalsch
ist für den McDjihad-Erfinder Udo Wolter jede andere These,
den islamistischen Aufstieg mit dem aus der gescheiterten Modernisierung
erwachsenden Elend und den gescheiterterten Versuchen des Aufbaus
sozialistischer Gesellschaften verknüpft. Der Islamismus bleibt
die Gewalt im Naturzustand und rechtfertigt den Einsatz einer noch
größeren Gewalt:
Dass diese noch größere Gewalt heute von
den Erben des Kolonialismus kommt, die keinerlei emanzipatorisches
Glücksversprechen mehr anzubieten haben, sondern nur dafür
sorgen, dass die Geschichte weitergeht als “eine einzige Katastrophe,
die Trümmer auf Trümmer häuft” (Walter Benjamin),
sollte für Linke jede positive Parteinahme unmöglich machen.
Sie kann sich nur negativ gegen jeden Versuch Deutschlands richten,
diesen Krieg auszunutzen, um zu neuer Weltgeltung zu gelangen und
die eigene Vergangenheit zu entsorgen.
Noch mehr soll sich ihre Negation gegen jegliche Rebellion
der Hungerleider richten, nachdem das Trommelwerk der antideutschen
Agitatoren hinter dem teutonischen Traktor bereits manifestiert
hat, daß der Antiimperialismus schon immer auch Antisemitismus
gewesen sei. Eine Renaissance des Pangermanismus schließen
sie aus, sehen sie höchstens im Panislamismus. In ihm entdecken
sie Antwort auf die Selbstzerstörung der Moderne sowie das
rückwärtsgewandte Ressentiment, das das Abendland als
Träger der Zivilisation gegen sich selbst gehegt habe. Der
Torschluß erreicht! Was bleibt, ist die Apokalpyse, nebenan
die kreuzzugskreischenden Ergüsse der teutonischen Philosemiten.
Worin unterschieden sie sich aber von den Antisemiten
des Pangermanismus, wenn sie – getarnt als Radikalgegner der
nationalsozialistischen Ideologie – eine zwingende Verbindung
zwischen TwinTowers und dem Judentum in aller Frühe des Trümmerrauchs
mannigfach herstellen konnten?
Die Antwort, würden die Apologeten des Nordiden-Götzen
trällern, liegt im Trümmerrauch über Manhatten, der
sich noch lange nicht legen will - wie die Freiheit der Wallstreet-Domäne.
Ihr Weltkriegsverkünder versetzte eine messianische Saite in
Schwingung, damit sich die Lehrherren im pastoralen Ornat zu Ersatztriumphatoren
der Feldschlachten erklären lassen und im Angesichts des Todes
reichlich Trost spenden können. Allein der Schwurfinger des
Geldes, die unsichtbare Hand des Freibeutertrabanten, missioniert
weiter.
Nichts wird anderes sein. Etwas härter, etwas
schärfer. Weiter wird das bärtige und mit Tschador verhüllte
Grauen aus Titelseiten und Fernsehkanälen dem neugierigen Gaudiumshungrigen
entgegenblicken. Leitartikeln werden die weißen Weisen über
Fanatismus und Aufklärung. Jeder der Intelligentsia wird sich
berufen fühlen, einen Reim auf das Bevorstehende zu machen,
über die Renaissance des starken Staates zu räsonieren.
Die bisherigen Ergebnisse der Stichworten-Ergüsse faßt
Jan Ross in “Die Zeit” vom 1. November 2001 zusammen:
Wenn von der jetzt eingetretenen Situation etwas für
die deutsche Debatte zu erwarten und zu erhoffen ist, dann eine
Horizonterweiterung. Ausländer- und Migrationsfragen werden
nicht mehr allein als humanitäre, sozialökonomische oder
demografische Angelegenheiten zu diskutieren sein; man wird sich
mehr über die kulturelle Seite des Zusammenlebens Gedanken
machen müssen, über Normen und Bräuche, über
Familie, Schule und Moschee. Deutsche und Nichtdeutsche in der Bundesrepublik
werden einander genauer ansehen, kritischer auch - aber, da gibt
es bisher Grund zur Zuversicht, ohne übertriebenes Misstrauen.
Zugleich kommt der Öffentlichkeit zu Bewusstsein, dass eine
Welt jenseits von Brüssel existiert. Man ist auf einmal peinlich
berührt, dass es hierzulande kaum Interesse und Expertise für
etwas fernere Winkel der Erde gibt, keine weise ergrauten Exbotschafter,
die auch im Fernsehen eine gute Figur machen, keine Orientalisten
mit Zeitungskolumne und reicher Erfahrung als Regierungsberater.
Das vielberufene "Erwachsenwerden" der Bundesrepublik
hat nicht in erster Linie mit Wehr und Waffen zu tun - das ist,
wie wichtig auch immer, ein Nebenaspekt. Vor allem anderen geht
es um Entprovinzialisierung.
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